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Artikel

1997

Test & Technik

Die Contax-RTS-Modelle

Linientreue

Als 1974 die erste Contax RTS auf den Markt kam, war sie die einzige Kamera mit elektromagnetischem Auslöser. Die RTS II folgte 1982, in vielen Punkten verbessert. Zur photokina 1990 erschien dann, lange erwartet, die dritte RTS: entscheidend verändert, doch wie die Vorgängermodelle ohne Autofokus, ohne Programmautomatik. Ein Anachronismus im Zeitalter der Autofokus High-Tech-Kameras? Ein Blick auf die Entstehungsgeschichte zeigt, warum die RTS-Kameras sind, wie sie sind.

Sie war überfällig, als sie 1990 auf der photokina vorgestellt wurde, eroberte dann aber die Herzen im Sturm: die Contax RTS III. Die Geschichte dieser dritten RTS-Generation, die viele Erwartungen noch übertrifft und dabei so selbstbewußt die Tradition der Vor-Autofokus-Ära fortsetzt, begann Anfang der siebziger Jahre - mit der Konstruktion der ersten Contax RTS. Carl Zeiss, Objektivhersteller von Rang, und Yashica, seinerzeit auf dem Spiegelreflexmarkt noch nicht etabliert, aber führend im Bereich der Kameraelektronik, waren eine zukunftsträchtige Verbindung eingegangen. Zu beider Vorteil: Zeiss sah seine Objektive neben Hasselblad im Mittelformat- Rollei im Kleinbildbereich - nun verstärkt bei den Kleinbild-Spiegelreflexkameras vertreten; Yashica konnte bei der Entwicklung seines SLR-Programms auf das Know-how des renommierten Partners zurückgreifen. Das erste Produkt nach Beginn dieser Kooperation avancierte sogleich zu einem Meilenstein der Kameratechnik: Bei ihrem Erscheinen 1974 wies die erste Contax RTS als einzige Kamera überhaupt einen elektromagnetischen Auslöser auf. Er verkürzte - im Gegensatz zum mechanischen Auslöser - den Weg zwischen Auslösemoment und Belichtung so extrem, daß fortan von "Echtzeit", vom Real Time System, gesprochen wurde, das der Modellreihe den Namen gab. Auch äußerlich erregte die manuell zu fokussierende Spiegelreflexkamera, für die die Japaner den gutdeutschen Namen Contax erwarben, einiges Aufsehen. Kein geringerer als Ferdinand Alexander Porsche entwarf das charakteristische, elegante Design der ersten RTS, das später nahezu unverändert für die RTS II übernommen wurde. Mit der Meßsucherkamera Contax T sollte es zehn Jahre danach nochmals zur Zusammenarbeit von F. A. Porsche und Yashica kommen, wobei der Porsche-Entwurf in diesem Fall - zum Ärger des Designers - von den Japanern abgewandelt wurde.
Die erste RTS stellte also eine attraktive Kamera dar, die, so Hersteller Yashica, vor allem für anspruchsvolle Amateurfotografen konzipiert war. Zur anfänglichen Begeisterung gesellte sich jedoch bald Skepsis. Eine vollelektronische Spiegelreflexkamera war Mitte der siebziger Jahre noch lange nicht die Norm, und so war in erster Linie die völlige Batterieabhängigkeit der RTS I Ziel der Kritik. Auch die fehlende Spotmessung wurde bemängelt, ebenso wie ein mehr als dürftiges Objektivangebot: Lediglich sechs Objektive standen bei Erscheinen der ersten RTS 1974 zur Verfügung. Schließlich stieß auch der nicht eben niedrige Preis von zirka 1600 DM für das Gehäuse auf Unwillen. Die kritischen Stimmen meldeten sich frühzeitig, doch zeigte man bei Yashica keine Eile, den Forderungen Rechnung zu tragen.

RTS II - Neuausgabe mit Notzeit

Volle sechs Jahre dauerte es, bis 1982, zum 50jährigen Contax-Jubiläum, die RTS II vorgestellt wurde - mit Notauslöser und Notzeit von 1/50 Sekunde, TTL-Blitzbelichtungsmessung, mit übersichtlicherer Sucheranzeige und nun auch elektromagnetischem Selbstauslöser. Mit der RTS-Neuausgabe war ein Generationswechsel in der Kameraelektronik erfolgt. Auch die zweite RTS war ein Zeitautomat, Blenden- und Programmautomatik standen ebensowenig zur Diskussion wie Autofokus; wohl aber ließen die Japaner ihre Fortschritte in der Mikroelektronik einfließen. Computerchips hielten Einzug in die Kamera und ersetzten weitgehend die noch konventionelle Technik der ersten RTS.
Die Resonanz, die die Kamera hervorrief, war positiv; den technischen Defiziten des Vorgängermodells war - mit Ausnahme der immer noch fehlenden Spotmessung -abgeholfen, auch lag das Gehäuse mit etwa 1200 DM deutlich günstiger im Preis, ermöglicht durch die billigere Elektronik auf Basis von Mikroprozessoren. Ein inzwischen auf dreißig Zeiss-Objektive erweitertes Angebot trug zusätzlich zur Attraktivität der Kamera bei. Die damit insgesamt günstigeren Voraussetzungen schlugen sich, so die Firma Yashica (seit 1985 zum Halbleiterhersteller Kyocera gehörig), in erkennbar höheren Verkaufszahlen nieder.
1987 lief die Produktion der RTS II aus, und wieder einmal ließ man sich Zeit in Japan: gut dreieinhalb Jahre verstrichen, bis die gänzlich neu konstruierte, dritte Contax RTS erschien. Dreieinhalb Jahre Bruch in der RTS-Modellpolitik, den auch der Erfolg der seit 1979 bestehenden Contax-Familie - neben der RTS die 139 Quartz und die 137 MD - nicht verdecken konnte.
Erklärbar ist dieser Bruch, so Yashica/Kyocera-Pressesprecher Leo Stejskal, durch den "Autofokus-Schock": "Damals ging es ja schon los mit Autofokus. Da war man sich völlig unsicher: Wenn wir eine neue RTS auf den Markt bringen - muß es eine Autofokuskamera sein, oder muß es keine sein? Darf es keine sein?" Dreieinhalb Jahre lang wurde abgewartet; während Contax 137 MA, 159 MM und 167 MT herauskamen, wurde der Markt für eine neue RTS beobachtet.
Zur photokina 1990 endlich erschien das Ergebnis - in Form der Contax RTS III, einer manuell zu fokussierenden High-Tech-Kamera. Im Hause Yashica/Kyocera war man zu dem Ergebnis gekommen, daß unter den anspruchsvollen Amateuren, die nach wie vor als wichtigste Zielgruppe für die RTS-Modelle angesehen werden, trotz des Autofokus-Marktgeschehens "noch Bedarf an hochwertigen Non-AF-Kameras vorhanden ist" (Stejskal). Vielleicht ein weiterer Grund für die Entscheidung, zumindest aber ein angenehmer Nebeneffekt: Bei einer Umstellung auf Autofokus hätte auch die Objektivproduktion bei Zeiss entsprechend geändert werden müssen. Zwar wäre nur eine Änderung der Mechanik nötig gewesen, nicht der Optik selbst; dennoch hätte es möglicherweise Jahre gedauert, bis alle Objektive von Zeiss umkonstruiert worden wären.
Obwohl linientreue, weil manuell zu fokussierende Contax-SLR, repräsentiert die RTS III eine neue Kamerageneration. Nicht nur äußerlich unterscheidet sie sich von ihren Vorgängermodellen - das Yashica-Hausdesign weist nur noch wenige Elemente des einstigen Porsche-Designs auf, wie den
kantigen Prismensucher und Details wie die Wabenstruktur des Einstellrings. Die dritte RTS ist auch für eine technische Premiere gut: Als erste Kleinbild-Spiegelreflexkamera ist sie mit einer pneumatischen Filmandruckplatte versehen, die mittels Erzeugung eines Vakuums für die optimale Planlage des Films sorgt. Das Prinzip einer solchen Andruckplatte, für die RTS III von Yashica konstruiert und von Kyocera gebaut, wurde allerdings bereits vor etwa fünfzehn Jahren von Dr. Joachim Kämmerer bei Zeiss entworfen; in der Luftbildfotografie mit Mittelformatkameras finden vergleichbare Andruckplatten bereits seit längerem Verwendung.
Obwohl der Unterschied in der Elektronik von RTS II und III nicht so einschneidend ist wie der zwischen RTS I und II, ist doch eine Weiterentwicklung zu verzeichnen - hin zu immer differenzierteren Mikroprozessoren. Justierwiderstände beispielsweise, in der RTS II noch vorhanden, wurden durch Mikrochips ersetzt. Mit High-Speed-Verschluß bis 1/8000 Sekunde, zusätzlicher Blendenautomatik, der oft gewünschten Spotmessung, integriertem Motor, aktualisierten Sucheranzeigen und Blitzbelichtungsmesser mit Lichtmengenanzeige im Sucher ist die Kamera auf dem neuesten Stand der Technik.

RTS III - auch ohne Autofokus zeitgemäß

Das Fehlen von Autofokus und Programmautomatik wird vom Contax-Fotografen erwartungsgemäß akzeptiert. Der wiederum höhere Preis von etwa 3500 DM für das Gehäuse, möglicher Stein des Anstoßes, erklärt sich, so Pressesprecher Leo Stejskal, durch die Umstellung auf eine teurere Produktion. Die Einzelteile aus besonders hochwertigem Material werden wieder mit mehr Handarbeit als zuvor in völlig neuen Fertigungsstraßen erstellt und montiert, was sich im Langzeitbetrieb der Kamera auszahlen soll. Verunsicherung macht sich allerdings breit beim Blick auf das Objektivangebot: Von vormals dreißig Objektiven für die Contax-Modelle sind nurmehr zirka zwanzig lieferbar. Gegen die Befürchtung, daß die Anzahl wieder auf das Niveau der RTS-I-Zeiten sinkt, verwahrt man sich jedoch im Hause Yashica/Kyocora: Nur einige Brennweiten, die "nicht so gut laufen", wurden aus dem Programm genommen, wie zum Beispiel das 1,4/35 mm, da die 28er der 35er Brennweite generell vorgezogen würde; das 2,0/28 mm, das mit seiner veralteten Konstruktion länger war als ein heutiges kurzes Zoom; oder auch das 2/100 mm, das stark vom 1,4/85 mm tangiert war. Neue Objektive sollen vor allem im Zoombereich folgen. Ist die dritte RTS-Generation nun tatsächlich in der Lage, sich trotz des "Autofokus-Booms" durchzusetzen? Ganz offensichtlich: Mehr noch als die ersten RTS-Modelle ist sie gefragt bei Fotografen, die mit der Kamera fotografieren, nicht die Kamera fotografieren lassen.

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