← Zurück

Artikel

1997

Test & Technik

Welcher Kameratyp sind Sie?

Modell-Psychologie

 Rund 140 ernstzunehmende Kameramodelle bevölkern den Markt auf der Suche nach Käufern. Angesichts dieses Riesenangebots verliert der potentielle Kamerakäufer leicht die Orientierung. Statt der üblichen Marktübersichten und Vergleichstests gehen wir diesmal einen neuen Weg, Ihnen zur richtigen Kamera zu verhelfen. Eine Gruppe von Kameras mit Charakter bewirbt sich bei Ihnen - mit ihren ganz spezifischen Eigenschaften. Von welchem Kandidaten fühlen Sie sich angesprochen, welcher Fotografentyp sind Sie?

Für Anti-Trendsetter

Es gibt Leute, die schwimmen gern gegen den Strom, und wenn sie es tun, dann mit Stil. Sie kaufen Möbel lieber von Bauhaus-Designern statt von skandinavischen Gestaltern, hören lieber Miles Davis statt Sting und sind im übrigen der Meinung, daß man lieber Golf spielen als Golf fahren sollte. Sollte dieser hier geschilderte Typ die Lust verspüren, sein individualisiertes Leben auf Bildern festzuhalten, dann bitte mit einer Kamera, die nicht jeder hat und die fast in allen Belangen von der gängigen Konsumnorm abweicht. Die Rollei 35 Classic ist die richtige. Sie schwimmt in fast jeder Hinsicht gegen den Strom im Brei der Massenware. Wo andere Autofokus haben, muß man bei ihr die Entfernung schätzen und per Hand einstellen. Andere Kompaktkameras geben sich mit einem drei oder vierlinsigen Objektiv zufrieden, die Rollei bemüht fünf für ihr in Carl-Zeiss-Lizenz gebautes Sonnar, das überdies mit einer hochwertigen Vergütung versehen ist. Das Heer der Kompaktkameras belichtet automatisch per Programmverschluß und verschweigt dem Fotografen vorsätzlich die entsprechende Zeit-Blenden-Kombination. Blende und Zeit werden an den markanten, designbestimmenden Einstellrädern solange verändert, bis zwei Zeiger zur Deckung gebracht sind - Belichtung als kreatives Erlebnis. Die Rollei hat eine mechanischen Verschluß mit traditionellem Hemmwerk, wo andere Magnetspulen und Transistoren, Kondensatoren und integrierte Schaltkreise haben. Während die anderen so verschieden aussehen wie der Einheitsbrei heutiger Mittelklassewagen, zeigt die Rollei individuellen Charakter - kantig statt rund, Metall statt Kunststoff, Platin statt PVC. Ein Gesicht in der Menge der Kompakten.

Für Sparsame: Canon EOS 1000 F

Sparsame Leute kaufen nicht unbedingt das Billigste. Nein, das wäre zu einfach und unsportlich obendrein. Sparsame betreiben Preisvergleiche als Sport, freuen sich, wenn es Sonderangebote gibt. Ihnen ist kein Weg zu weit, um ihrer Sparleidenschaft nachzugehen. Der Benzinpreis wird der günstigen Gelegenheit weit draußen auf dem Lande nicht berechnet. Auch der Zeitaufwand fließt nicht mit ein. Schließlich läßt man sich das Sparen etwas kosten. Der Typ des rationalen Sparers - er unterscheidet sich deutlich von der soeben skizzierten emotionalen Variante hat stets einen Maßstab parat, den er immer und überall anlegt; er heißt Preis-Leistungs-Verhältnis. Jede Anschaffung wird an dieser Latte gemessen, auch der Kamerakauf. Die Canon EOS 1000F dürfte diesem Zeitgenossen auf den Leib geschneidert sein. Ihre vorzügliche Ausstattung, die auch vor luxuriösen Features wie Schärfentiefenautomatik und Spotmessung nicht Halt macht, stempelt sie zum Preishit. Dabei ist die EOS 1000F technisch voll auf der Höhe der Zeit. Sie gewinnt noch durch einen leisen und schnellen Autofokus und ein Zoomobjektiv 28-80 mm, das vielen Fotografiersituationen gewachsen ist. Um Zubehör braucht man sich auch nicht zu kümmern, alles ist drin vom Blitzgerät bis zum Transportmotor. Wer es noch auf die Spitze treiben will, der kann gleich zum Kit greifen. Dann gibt es sogar noch ein Extra-Zoom. Die EOS 1000F ist, dank der reichlichen Verwendung von Kunststoff, sehr leicht, aber das irritiert den Sparer nicht. Was der EOS 1000F fehlt, sind Ausstrahlung und Individualität, doch das stört den Sparer nicht. Er käme wohl nie auf die Idee, zur faszinierenden EOS RT zu greifen, die einige Hunderter mehr kostet, aber vom Preis-Leistungs-Verhältnis her schlechter abschneidet.

Für moderne Konservative: Contax RTS III

Manche Leute mögen den Fortschritt lieber in der gemäßigten Form. Sie kaufen nicht den letzten Schrei, weil sie Angst vor Kinderkrankheiten haben, bewerten Solidität und Zuverlässigkeit höher als die neueste technische Errungenschaft. Bei der Wahl ihrer Kamera möchten sie ein Produkt, das auf der Höhe der Zeit ist, konstruktiv jedoch so konservativ, daß die Elektronik darauf verzichtet, den Fotografen in jeder Situation zu bevormunden. Der modernkonservative Kamerakonsument verfügt über ein ordentliches monatliches Nettoeinkommen und betrachtet Anschaffungen nicht als Eintagsfliegen. Für diesen Typ ist die Contax RTS III genau das richtige. Sie verzichtet bewußt auf Autofokus und Programmautomatik, fällt aufgrund ihres ungewöhnlichen Designs und wegen ihrer hervorragenden Verarbeitungsqualität aus dem Rahmen und präsentiert genau dort fortschrittliche Ideen, wo man es nicht erwartet. Die pneumatische Andruckplatte soll dem Kleinbildfilm die Wölbung nehmen und der eingebaute Blitzbelichtungsmesser den Blitzaufnahmen den Schrecken, mit dem sie auch im TTL-Zeitalter noch aufwarten können. Eine Handvoll erlesener Carl Zeiss-Objektive - auch mit diesem traditionellen Namen wird der dezent Konservative eindeutig angesprochen - sorgt für beste Abbildungsqualität.

Für Puristen: Pentax K 1000

Es gibt Leute, die mögen Dinge ohne Schnörkel, funktionale Gebilde, bei denen kein Knopf überflüssig erscheint und kein Rädchen Fragen ob seiner Funktion aufwirft. Sie haben es am liebsten, wenn Technisches nicht erst mühevoll über die Bedienungsanleitung enträtselt werden muß, sondern vielmehr, wenn es gleich zur Sache kommt. Solche Zeitgenossen schätzen es, wenn die Unkompliziertheit auch noch durch eine hohe Zuverlässigkeit und durch geringe Wartungsansprüche untermauert wird. Ihnen sei die Pentax K 1000 ans Herz gelegt: die Inkarnation funktionaler Einfachheit im Kamerabau. Das spartanisch anmutende Gehäuse erstickt jeden Anflug von Luxus oder Verschwendungssucht. Kein Selbstauslöser stört die klare Frontgestaltung, keine ergonomische Griffleiste verdirbt die Handhabung, sogar das Markenemblem auf dem Dachkantprisma wurde neulich im Zuge einer Modellpflegemaßnahme für überflüssig erklärt und getilgt. Die Pentax K 1000 erlebte bereits im Jahre 1976 ihr Debüt. Was damals, im Zeitalter des begehrten Profischwarz, noch das Kennzeichen von Standardkameras war, nämlich die verchromte Prismenkappe, wirkt heute schon wieder unfreiwillig luxuriös. Technisch hält die Kamera, was ihre optische Zurückhaltung verspricht. Keine Leuchtdioden flackern im Sucher, wo eine energiesparende Meßnadel es doch auch tut; eine Information über die eingestellten Werte für Zeit und Blende würde doch nur von der Bildgestaltung im Sucher ablenken. Der Kameraverschluß läuft mechanisch ohne jede Vergeudung von Batteriestrom ab. Strom braucht lediglich der Belichtungsmesser - immerhin schon mit CdS-Zelle ausgestattet und nicht etwa Selen-autark; dafür wird er aus der billigsten und schwächsten Knopfzelle PX 625 gespeist, die heute noch zu haben ist und die sicherlich mindestens fünf Jahre hält wenn man nicht vergißt, den Objektivdeckel zu schließen. Einen Ein- und Ausschalter kennt die Kamera nicht, das Ein- und Ausschalten wird allein durch den Wechsel von Dunkelheit und Licht gesteuert. Trotz ihrer geradezu dreisten Ausstattungsverweigerung hat die K 1000 bis auf eine Abblendtaste alles, was man seit jeher für die Fotografie braucht und auch in Zukunft brauchen wird. Das bißchen Technik, das sie bietet, ist ausgesprochen sauber verarbeitet und wird durchaus gefällig präsentiert. Auch der Preis ist 1976 stehengeblieben. Welche Ironie des Kameraschicksals ist es doch, daß diese so quintessentiell ausgestattete mechanische Kamera tatsächlich über mehr Bauteile verfügt als viele ihre modernen Zeitgenossinnen, die von wenigen Strängen flexibler Leiterplatten durchzogen werden!

Für Leute, die eine Kamera fürs Leben suchen: Hasselblad 500 Classic

Manche Leute wollen gern dem üblichen kurzlebigen Konsumgut ein Schnippchen schlagen und setzen auf Dauerhaftigkeit. Langlebige Dinge haben ihren Preis, aber, so lehrt die Lebenserfahrung, auf Dauer rentieren sie sich. Jeder, der einmal einen Citroen vor einem Mercedes besaß, weiß, wovon die Rede ist. Das Einfamilienhaus amortisiert sich nach dreißig Jahren und schlägt der teuren Etagen-Mietwohnung ein finanzielles Renditeschnippchen, und die massiven Eichenmöbel können irgendwann vererbt werden, während inzwischen unzählige Billig-Möbel auf den Müll wandern. Die Hasselblad vertritt den Langzeitcharakter auf dem Kamerasektor mit der gleichen Konsequenz wie Rolls-Royce im Automobilbau. Hier sind die Hasselblad-Eckdaten für all diejenigen, die jetzt bereits ins nächste Jahrtausend planen: Debüt 1957 als 500 C; 1970 dann leicht modifiziert als 500 C/M; 1982 ein neues Objektivdesign, und alle Objektive und Zubehörteile - ganz gleich, wie alt - passen untereinander. Drei Jahre Garantie eröffnen das Tor zur Ewigkeit, und alles, was noch kommen wird, wird ebenfalls kompatibel sein. Im Gegensatz zur Rollei 2,8 GX erscheint die Hasselblad 500 Classic nicht im mindesten altmodisch. Im Gegenteil, das funktional glattflächige Design könnte einem italienischen Design-Center als Beitrag zu einem Wettbewerb "Die Mittelformatkamera der Zukunft" eingefallen sein. Das Ganzmetallgehäuse verbindet hohe Funktionalität mit attraktivem Design und sorgfältiger Verarbeitugsqualität. Schon in der Grundausstattung, die mit 6000 Mark zu Buche schlägt, vermittelt die Kamera ein großes, weil anderes Fotografiervergnügen. Auch die einzelnen Komponenten sind vom Feinsten: Der Zentralverschluß kommt aus den Prontor-Werken in Calmbach an der Enz (einer Firma, die schon an der Wiege der Fotografie stand), das Objektiv von Carl Zeiss - nur die Objektivbauer aus Oberkochen können einen so magischen Vergütungsschimmer auf ihre Objektive zaubern, daß sie dabei aussehen, als wären sie aus geschliffenem Edelstein statt aus optischem Glas.

Für Nostalgiker: Rolleiflex 2,8 GX

Es gibt Leute, die werden die Ewiggestrigen genannt, weil sie der festen Überzeugung sind, daß früher alles besser war. Die Milch, das Fleisch, die Luft und die Menschen. Gern übertragen sie ihre Vision vom besseren Gestern auch auf das Heute und geben sich in ihrem Konsumverhalten betont konservativ. Sie fahren Gebrauchtwagen im scheckheftgepflegten Zustand, die schon vor zehn Jahren auf Schrottplätzen selten waren, und auch in der Kleidung gibt man dauerhafter Qualitätsware den Vorzug vor modischer Vergänglichkeit. Auch moderner Kameratechnik stehen sie mißtrauisch gegenüber. Schon eine Kleinbildkamera wird als modernes Teufelszeug gebrandmarkt - 6x6 muß es schon sein, "Made in Germany" sowieso. Am besten vom deutschen Traditionsunternehmen Franke und Heidecke - ach, Rollei Fototechnic heißen die heute? Die Rolleiflex 2,8 GX dürfte Quell der Freude für wehmütige Nostalgiker sein. Sie verkörpert einen heute fast verschwundenen Kameratypus, der 1929 das Licht der Welt erblickte und danach auszog, die Fotografie zu revolutionieren. Fortan war die zweiäugige Rolleiflex die ideale Kamera für die Mode- und Gesellschaftsfotografie, bis den Fotografen auffiel, daß sich ihr Objektiv nicht wechseln ließ. Danach liefen sie scharenweise zur Hasselblad und zu Kleinbild-SLR-Kameras über. Dennoch - die konzeptionelle Einmaligkeit der Rollei, von Minolta bis Olympus oft kopiert und nie erreicht, bringt auch heute noch eine Reihe von Vorzügen für die Liebhaber technischer Antiquitäten. Sie ist eine Spiegelreflexkamera, aber es gibt keinen Spiegelschlag, der in die Ruhe des ablaufenden Zentralverschlusses einfallen könnte. Ihr Bildformat ist fast viermal größer als das von Kleinbild-Spiegelreflexkameras, was sich bei Großvergrößerungen und in der Projektion bemerkbar macht, zumal ein Carl Zeiss Planar 2,8/80 mm für Schärfe und Kontrast verantwortlich zeichnet. Der Faltlichtschacht lädt zur bewußten und beschaulichen Bildgestaltung ein, statt wie der Prismensucher unserer Kleinbildkameras zu schnellen Schüssen zu verleiten. Ein bißchen hat der Fortschritt auch diesen Quastenflosser unter den Kameras unter seine Fittiche genommen: Die 2,8 GX mißt jetzt TTL, sie steuert den Blitz TTL und hat ein mehrschichtvergütetes Objektiv. Eine Kamera, die nicht nur für die Ewiggestrigen unter uns eine reizvolle und bezahlbare Alternative bietet. Vor allem für die, welche die Kleinbildhektik surrender Autofokus-Motoren, jaulender Winder und sirrender Zoomobjektive satt haben.

Für High-Tech-Freaks: Minolta Dynax 7xi

Es gibt Leute, für die ist High-Tech ein Glaubens- und Lebensbekenntnis, einfache, traditionelle Technik ist ihnen ein Greuel, ja sie bezweifeln sogar, daß eine Kamera ohne Servo, Sensor, Mikroprozessor und Fuzzy Logic überhaupt so richtig funktionieren kann. Diese Zeitgenossen erledigen ihre Privatpost in Desktop Publishing mit einer Apple Macintosh Workstation. Sie fahren einen japanischen Supersportwagen mit dem Kürzel 4WD24VEFIVTEC und benutzen im Haushalt kein Gerät, das nicht zumindest mit fortschrittlicher Lasertechnik operiert. Die Minolta Dynax 7xi dürfte vorzüglich in das Weltbild fortschrittsgläubiger Menschen passen, repräsentiert sie doch in eindrucksvoller Weise das elektronisch Machbare, den state of the art, wie es so schön heißt. In ihren Grundfunktionen baut die Minolta Dynax 7xi auf die bewährte Technik der ohnehin schon fortschrittlichen Dynax 8000i und reichert sie durch einige neuartige Entwicklungen an. "Fuzzy Logic" heißt das Zauberwort ihrer Software. "Fuzzy Logic" versetzt die Kamera in die Lage, neben der bekannten kompromißlosen "Ja oder nein"-Position auch situationsbedingt für "eher ja" oder "eher nein" zu entscheiden. Der Prädiktionsautofokus funktioniert bei der 7xi dreidimensional, der Sucher ist in der Lage, auf elektronischem Wege die Wirkung verschiedener Einstellungen zu simulieren. Das besonders Herausragende an der Dynax 7xi ist die automatische Zoom-Programmierung, die aufgrund der Parameter Bildgröße, Entfernung zum Motiv und geeignete Brennweite selbsttätig den optimalen Bildausschnitt wählt. In der Position "Program" erledigt die Kamera dank der ihr mit auf den Weg gegebenen Expert-Steuerung alle Aufgaben, die zur Erstellung einer optimalen Aufnahme führen, von selbst. Dies heißt aber keinesfalls, daß der Fotograf in seiner Kreativität zwangsläufig eingeengt wird. Die Kamera bietet so viele individuell abrufbare Funktionen, daß auch der ambitionierte Fotograf, der mit den traditionellen Gestaltungsmitteln Verschlußzeit und Blende auskommen will, auf seine Kosten kommt.

Für Leute, die das Kleine lieben: Minox LX

Manchen Zeitgenossen kann es nicht klein genug sein. Sie fahren Kleinstwagen, wohnen auf vierzig Quadratmetern, tragen Konfektionsgröße 44 (Herren) oder 36 (Damen) und verabscheuen Verschwendung und Größenwahn. Besonders Damen mögen das Zierliche. Für diese ist die Minox LX wie geschaffen, kleiner geht es im Kamerabau nur noch mit der EC des gleichen Herstellers. Der EC aber fehlt das, was die LX zur Genüge zu bieten hat, nämlich feinmechanisches Charisma. Die LX ist eine Mischung aus Schmuckstück, Kamera und Armbanduhr. Mit ihrer ebenso originellen wie schönen Schale sieht man ihr nicht an, welchen Aufwand ihre Konstrukteure trieben, um aus dem Kleinstbildformat 8x11 Millimeter noch brauchbare Bilder zu zaubern. Ihre wahre Größe offenbart sie erst, wenn der Fotograf den Teleskop-Schnellaufzug betätigt. Die Kamera arbeitet immer mit der offenen Blende 3,5, was bei Brennweite 15 Millimeter keine Probleme bereitet. Der Verschluß ist elektronisch gesteuert, eine Belichtungsautomatik steuert sogar in der Dämmerung noch die richtige Verschlußzeit ein. Ein eingebautes UV-Filter schützt vor Störlicht, und der kleine Sucher entwirft ein erstaunlich plastisches Bild. LX-Fotos sind bis zum Format 13x18 Zentimeter durchaus brauchbar, das Bild rechtfertigt den hohen technischen Aufwand. Kunststoff hat an der LX nichts verloren - sie schimmert edel in matt silbern legiertem Leichtmetall oder im dezent schwarzverchromten Gehäuse. Ein wenig Übung im Umgang mit der LX ist allerdings notwendig, andernfalls lassen verwackelte Bilder und unscharfe Fingerkuppen als Vordergrund wenig Freude an der etwa 1400 Mark teuren Kostbarkeit aufkommen. Wen wundert es, daß gerade Japaner in letzter Zeit rege LX-Nachfrage üben? Ins Land der Bonsai paßt die Kleinstkamera ganz gut.

Für Superlativ-Fanatiker: Nikon F4

Es gibt Leute, die sind ständige auf der Suche nach dem Besten, dem Schönsten und Größten. Sie fahren das größte Auto im Programm des Herstellers, fliegen mit der Concorde nach Japan, besuchen das teuerste Restaurant am Ort und hören ihre Musik aus den Lautsprechern einer 50000-Mark-Anlage. Für diese Superlativ-Süchtigen ist die Nikon F4 die richtige Kamera. Sie ist groß, schwer, teuer und ein absolutes Highlight unter den Kleinbildkameras. Eine Kamera wie ein Meilenstein, mit dem Nikon das technisch derzeit Machbare in der Kameratechnik markiert. Auch heute noch, rund drei Jahre nach ihrem Debüt, gibt es auf dem Markt nichts Vergleichbares. Andere Kameras, wie die Minolta Dynax 7xi und die Canon EOS 10, haben die Nikon F4 partiell - was den Einsatz moderner elektronischer Ausstattungsmerkmale betrifft - überholt. Trotzdem blieb das herausragende Gesamtkonzept der Nikon F4 unangetastet: Der schnelle Motor, der sich bei Bedarf auf eine faszinierend leise Bildschaltung reduzieren läßt, der Wechselsucher mit den wesentlichen Belichtungsmeßarten Spot-, Integral- und Matrixmessung, die traditionellen Einstellräder, deren Bedienung keine Rätsel aufgibt, und die überaus robuste Ausführung, die von einer hervorragenden Verarbeitungsqualität abgerundet wird all das ist bislang unübertroffen. Unübertroffen ist auch das Zubehör- und Objektivsystem, das dahintersteht - bei einer weitgehenden Systemkompatibilität mit den Vorgängermodellen. Die Schwächen des Superlativs Nikon F4 liegen im nicht allzu schnellen Autofokus und in einer gewissen Unhandlichkeit. Ansonsten wird es aber vermutlich so leicht keinem Konkurrenten unter den Kameraherstellern gelingen, die Nikon F4 zu entthronen.

Für die Freunde machbarer Utopien: Olympus IS-1000

Es gibt Leute, die wollen das Unmögliche. Sie wollen alles in einem. Die eierlegende Wollmilchsau ist ihr Traum, den sie am liebsten auch auf die Technik übertragen wollen. Für ein geländegängiges Cabriolet mit Platz für fünf Personen mit einem sparsamen Hochleistungsdieselmotor könnten sie sich ebenso begeistern wie für den Waschvollautomat mit integriertem Trockner und nachgeschalteter Bügelmaschine. Diese Utopisten kommen an der Olympus IS-1000 kaum vorbei, wenn es ums Fotografieren geht. Die futuristische gestaltete Bridgekamera von Olympus ist Spiegelreflexkamera und Kompaktkamera in einem. Sie bietet einen schnellen Schlitzverschluß bis zur 1/2000 Sekunde, wartet mit umschaltbarer Spotmessung auf und besticht durch ein Zoom 35-135 mm mit eingebautem ED-Glas auf. Auch die Belichtungsautomatik läßt kaum Wünsche offen. Lediglich der ambitionierte Fotograf, der häufig Sportaufnahmen macht oder gern bewegte Motive aufnimmt, wird eine Blendenautomatik vermissen. Kurzum, die Olympus IS-1000 ist die einzige Bridgekamera, die diesen Begriff aufgrund ihrer hohen Qualifikation nicht verdient. Die Kamera verwöhnt sogar mit Makro-Teleeinstellung, die Abbildungsmaßstäbe bis 1:2,5 ermöglicht. Die Olympus IS-1000 ist ein Musterbeispiel an Integration. Den anderen Bridgekameras des Marktes hat sie ihre exzellente und ebenso ausgefallene wie handliche Formgestaltung voraus, die nicht zuletzt durch den Kunstgriff einer besonderen, nämlich S-förmigen Filmlage und durch besonders flache Prismenspiegel ermöglicht wurde. Die IS-1000 hat den Traum von der eierlegenden Wollmilchsau für die Kleinbildfotografie wahrgemacht.

Für Prestigebewußte: Leica M6

Junge, gutverdienende Leute pflegen harten Arbeitseinsatz oft durch elitäres Konsum- und Freizeitverhalten zu kompensieren, ganz nach dem Motto: "Man gönnt sich ja sonst nichts." Die gern in Großstädten lebenden Junior-Großverdiener neigen zu den großen Marken der Welt, trinken Moet et Chandon oder Lanson, tendieren zu Rolex oder Cartier und wählen gern die Leica M6 unter den Kameras aus, um ihren Malediven-Urlaub auf Negativfilm zu bannen. Denn die Leica verströmt den edlen Hauch wirklich distinguierter Machart. Zwar kann die Hasselblad der Leica vom Prestige her das Wasser reichen, aber hinsichtlich Anmutung kann sie nicht mithalten. Außerdem verkörpert die Hasselblad eher das Werkzeug der Fotografie, während die Leica schon fasziniert, wenn man noch gar keinen Film eingelegt hat. Aber auch beim Fotografieren kommt Freude auf. Das unübertroffen leise und dabei satte Auslösegeräusch fesselt ebenso wie der brillante Meßsucher. Daß man ein überaus gediegenes Stück Kamera in den Händen hält, wird am Gewicht ebenso deutlich wie an den schwarzverchromten Metalloberflächen, die ein Gefühl hoher Qualität vermitteln. Kein noch so glasfaserverstärkter Kunststoff kann da mithalten. Wenn sich die Funktion der Leica M6 allein auf den ästhetisch schönen Gegenstand beschränkte, den man ab und zu gern in die Hand nimmt wie ein Dekorationsstück von hohem künstlerischen Wert, so hätte sich ihre Anschaffung bereits rentiert. Aber die M6 bietet ja noch mehr, ist in erster Linie eine Kamera zum Bildermachen. Gerade in diesem Punkt gibt sie sich kapriziös wie eine Diva, denn nichts ist an ihr so, wie es der Spiegelreflex-Fotograf gewöhnt ist. Das fängt beim Filmeinlegen an, das völlig unorthodox von unten nach dem Entfernen des Bodendeckels geschieht, und setzt sich in der Handhabung dieser eigenwilligen Kamera fort. Spiegelreflex-Umsteiger blicken zunächst ins Schwarze, weil sie die Kamera so ans Auge nehmen, als sei das Sucherokular wie gewohnt mittig angeordnet. Bei der Leica ist dort nur schwarzverchromtes Metall, der Sucher liegt links außen - endlich eine Kamera, bei der man sich beim Fotografieren nicht immer die Nase an der Rückwand plattdrückt. Der Sucher selbst erfordert gleichfalls eine gewisse Gewöhnung. Das Einstellen mit dem Mischbildentfernungsmesser erfordert große Konzentration, außerdem sind die Bildfeldmarkierungen für zwei Objektive ständig eingespiegelt; aus Versehen die falsche Markierung zu fixieren, kann abgeschnittene Köpfe bedeuten. Die Gegenlichtblende, obwohl ausgeschnitten, wird beim Durchblick oft als störend empfunden. Nachdem man sich mit der Leica M6 zusammengerauft hat, mag man sie gar nicht mehr aus der Hand legen. Geld und ein ausgeprägtes Marken- und Prestigebewußtsein allein reichen allerdings nicht aus, um mit der M6 glücklich zu werden. Die Kamera fordert die Bereitschaft der Auseinandersetzung mit ihr.

{ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}