← Zurück

Artikel

1997

COLOR FOTO SPEZIAL SPIEGELREFLEXKAMERAS

Canon T90

Ciao bella

Hier und da ist sie noch zu haben, doch offiziell gibt es sie nicht mehr - die Canon T90, die eine Wende im Kameradesign einläutete, wird nicht mehr produziert. Erinnerungen an einen Trendsetter.

Die Zeit: Jahreswende 1985/1986. Das Umfeld: Seit einem Dreivierteljahr beherrscht das Thema Autofokus die Foto-Technik-Szene. Minolta hat mit der 7000 einen drastischen Vorsprung angemeldet, und im Herbst mit der Minolta 9000 noch eins drauf gesetzt. Und Canon? Minoltas großer Konkurrent ist mit der Canon T80 im Markt, einem T50/T70-Verschnitt, in dem zwar einige Ideen bereits auf die späteren EOS-Modelle hinweisen, ohne indes deren Qualitäten aufweisen zu können.
Alle warten auf diese "EOS", aber es kommt nicht die Autofokus-Alternative zum Minolta-Angebot- sondern die Canon T90 ohne Autofokus.
Diese Canon T90 hat so viel zu bieten, daß man sich kaum eine Aufnahmesituation vorstellen kann, in der man mit dieser Kamera passen müßte. Da gibt es vier Arten der Belichtungsmessung. Die Integralmessung für alle durchschnittlichen Motive, die Selektivmessung auf etwa dreizehn Prozent der Bildfläche, dazu die Spotmessung sowie die Multispotmessung.
Für die Umsetzung der Belichtungsmeßdaten bietet die T90 alles, was man sich wünschen kann - nämlich die volle willentliche Kontrolle der Belichtungssteuerung. Der Fotograf kann wählen zwischen Blendenautomatik, Zeitautomatik nach Offenblend- oder Arbeitsblendmessung, einer Standard-Programmautomatik, drei Programmautomatiken mit unterschiedlich starker Bevorzugung kurzer Verschlußzeiten und schließlich drei weitere Programmautomatiken mit unterschiedlich deutlicher Bevorzugung kleiner Blenden. Dazu kommen zur Sicherheit der zuschaltbare Safety Shift, die Möglichkeit, Korrekturfaktoren einzugeben, ein Meßwertspeicher, und last, but not least können Verschlußzeit und Blende manuell nach Gutdünken eingestellt werden.
Doch nicht nur der Umgang mit Dauerlicht ist bei der T90 aufs Vorzüglichste gelöst - auch die Einflußnahme auf die Blitzbelichtung ist perfekt. Die Blitzspotmessung ist mit der T90 plus Speedlite 300TL eine unkomplizierte Angelegenheit. Die richtige Kombination von Umgebungslicht und Blitzlicht mit Belichtungskorrektur erfordert zwar Mitdenken vom Fotografen, macht ihn aber zum Herrscher über hell und dunkel, über reichliche und knappe Belichtung. Selbstverständlich wird das Blitzlicht in der Kamera gemessen und von der Kamera aus gesteuert.
Wer so viele Funktionen beherrschen will, muß informiert sein über das, was läuft. Die Canon T90 leistet auch hier Vorbildliches: In der zweigeteilten Sucheranzeige mit Infozeilen unter und neben dem Sucherbild kann der Fotograf sogar ablesen, wieviele Bilder ihm noch bleiben. Ein LCD-Monitor auf der Oberseite bringt alle wichtigen Anzeigen zu Gesicht, wenn die Kamera nicht ans Auge gehalten wird.
Hinzu kommt ein Motor, der den Film fünfmal pro Sekunde transportiert; er bezieht seinen Strom aus den vier 1,5-Volt-Zellen, die auch die anderen Funktionen mit der nötigen Energie versorgen. All diese Technik steckt in einem seinerzeit geradezu futuristischen Gehäuse Dennoch ist die Form der T90 klar und übersichtlich.
Weder innere Werte noch äußere Schönheit haben der Canon T90 geholfen. Autofokus war und ist der Trumpf, den sie nicht ausstechen konnte. So entwickelte sich der Verkauf dieser hochentwickelten, hochmodernen Kamera eher schleppend, und nun, etwa sechs Jahre nach ihrem Erscheinen, tritt die Canon T90 ab. Ciao bella.

{ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}