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Artikel

1997

Test & Technik

Die RTV-Mechanik der Contax RTS III

Ansaugen und Festhalten

Während in der Vergangenheit die Kamerakonstrukteure ihr Augenmerk vornehmlich auf die Abbildungsqualität der Objektive konzentrierten, so besann man sich bei Kyocera darauf, auch die Voraussetzungen für die optimale Wiedergabe des Bildes auf dem Film zu verbessern. Das Ergebnis: Die RTV-Ansaugmechanik für absolute Filmplanlage.

Auch Kameras mit herkömmlichen, gefederten Andruckplatten und zusätzlichen Filmführungsschienen machen scharfe Bilder. An den Abbildungsleistungen dieser - das sogenannte Tunnelsystem verwendenden - Kameras gab es bisher nichts auszusetzen. Dennoch bereitet allen Herstellern die absolute Filmplanlage seit je her Kopfzerbrechen, denn weicht der Film auch nur geringfügig von der Planlage ab, verschiebt sich die Schärfenebene. Daß Filme trotz Andruckplatte bei den herkömmlichen Filmführungen genügend Spiel haben, ergibt sich zwangsweise aus der Differenz zwischen der Breite der Tunnelführung und der Dicke des Films. Durchschnittlich sind Filme heute etwa 0,15 Millimeter dick. Die Tunnelführung aber hat eine Stärke von 0,2 Millimetern. So kann es selbst bei idealen Bedingungen theoretisch bis zu Abweichungen von 0,05 Millimeter, also 50 Micron, kommen. In den Kyocera-Forschungslabors haben die Entwicklungsingenieure der Contax RTS III an aktuellen Kleinbildkameras der Spitzenklasse bei Messungen in Extremfällen Abweichungen von der idealen Filmplanlage in Größenordnungen von 20 bis 30 Micron feststellen können.
Was bedeutet dies nun für die Praxis? Eine leichte Verschiebung der Filmebene um nur 10 Micron würde bei einem Planar T* 1,4/85 mm und einer Entfernungseinstellung auf drei Meter bereits eine Verschiebung der Schärfenebene um etwa einen Zentimeter bewirken. Dies hatte zum Beispiel bei einer typischen Porträtaufnahme, bei der der Fotograf die Schärfe gezielt auf die Augen gelegt hat, schon sichtbare Folgen. Auch bei Nah- und Reproaufnahmen kann eine solche Fokusverschiebung unliebsame Auswirkungen haben.
Ein weiteres Argument für eine Ansaugplatte, wie sie in der Großformatfotografie schon länger zur Verfügung steht und wie man sie bei Reproaufnahmen auch für die Planlage der Vorlagen einsetzt, ist die Tatsache, daß der Film sich, zum Beispiel nach schnellem Motortransport, wellt. Obwohl sich diese Verformungen ebenfalls nur in Micron messen lassen, können sie Auswirkungen auf die Qualität der Aufnahme haben, die vor allen Dingen bei der Wiedergabe der Negative oder Dias in Großvergrößerungen deutlich werden.
Ein Problem, mit dem die Kamerakonstrukteure ebenfalls zu kämpfen haben, ist die leichte Unschärfe, die zum Beispiel dadurch zu erklären ist, daß die Erschütterungen durch den Hochgeschwindigkeitsverschluß die Filmplanlage und vor allem die Ruhiglage beeinflussen. Die Entwicklungsingenieure bei Kyocera lösten auch dieses Problem durch die Ansaugplatte. Der Mechanismus dieser Platte ist vergleichbar mit einer Lautsprechermembran. Zur Erzeugung des Vakuums wird eine mit einer Gummi-Saugeinrichtung verbundene Spule von einem starken Elektromagneten bewegt. Das bewirkt in den drei Luftspalten der Platte den Ansaugeffekt.
Auch bei der Ansaugplatte selbst kamen neue Technologien und Materialien zum Einsatz. Während für herkömmliche Andruckplatten hochwertige Aluminiumlegierungen verwendet werden, kam bei dem Keramik-Spezialisten Kyocera zum ersten Mal ein spezielles Keramik-Material zum Einsatz, das in seinem Härtegrad etwa den Eigenschaften von Diamanten entspricht. Um die Vorzüge eines Ansaugsystems nutzen zu können, mußte ein Material gewählt werden, mit dem sich Fertigungstoleranzen auf ein Minimum begrenzen lassen. Bei den Aluminiumlegierungen, wie sie üblicherweise für die Andruckplatten verwendet werden, muß mit Toleranzen bis zu 10 Mikron gerechnet werden.
Der enorme technische Aufwand, den Kyocera bei der ersten keramischen Ansaugplatte in einer Kleinbild-Spiegelreflexkamera verwirklichte, mag etwas übertrieben erscheinen, gab es doch auch bisher scharfe Fotos. Doch wer auf Sicherheit baut und in Extrembereichen mit hochlichtstarken Objektiven und geringen Schärfenräumen arbeitet, der wird den Vorzug dieser neuartigen Kameratechnik sehr bald zu schätzen wissen.

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