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Artikel

1997

Beratung

Leser beurteilen Ihre Kamera: Canon EOS-1, Nikon F4

Beinahe wunschlos glücklich

Im Dezemberheft rief COLOR FOTO die Besitzer von Canon EOS- 1 und Nikon F4 auf, ihre Kamera zu beurteilen. Das Ergebnis ist nicht repräsentativ, aber es überrascht doch und kann als Indikator für die Zufriedenheit der Käufer gesehen werden.

Die Spitzenmodelle von Canon und Nikon haben, bis auf wenige Ausnahmen, durchaus zufriedene Besitzer, die ihren Kameras in den vier Disziplinen Autofokus, Belichtungsfunktionen, Handlichkeit und Bedienung sowie Verarbeitungsqualität im Schnitt Bestnoten gaben. Die Redaktion erhielt insgesamt 102 Bewertungskarten für die Canon EOS-1 und immerhin 338 Antworten mit der Nikon F4 als Gegenstand der Beurteilung. Neben der Bewertung der bereits erwähnten Eigenschaften, die in der Vergabe von Schulnoten von eins bis sechs erfolgte, hatten die Canon-EOS-1- und Nikon-F4-Besitzern Gelegenheit, mit eigenen Worten zu beschreiben, was ihnen an der Kamera am besten gefällt und was sie am meisten stört. Begeistert sind viele EOS-1-Fotografen von dem schnellen Autofokus ihrer Kamera, von den anschließbaren USM-Ultraschallobjektiven, von der Handhabung und dem Design ihrer Kamera. Beanstandet wurden dagegen am häufigsten das Fehlen einer Multi-Spotmessung, wie sie die T90 aus dem gleichen Hause besitzt; die Tatsache, daß die Kamera bei Batterieausfall nicht mehr funktioniert; der hohe Batterieverbrauch und schließlich eine Kleinigkeit, die offenbar vielen am Herzen liegt: Die Kamera besitzt keinen eingebauten Okularverschluß. Das Fehlen dieses Pfennigartikels erregt bei vielen EOS-1-Besitzern Mißfallen. Eine beachtliche Anzahl von Lesern kritisiert außerdem, daß die Art der gewählten Meßmethode, ob Selektiv- oder Integralmessung, nicht im Sucher signalisiert wird. Wiederum andere ärgert es schlicht, daß die Canon EOS-10, die nur etwas mehr als ein Drittel der EOS-1 kostet, den fortschrittlicheren Multi-Autofokus eingebaut hat. Überhaupt ist der hohe Preis bei den EOS-1-Eignern häufiger Stein des Anstoßes als bei den Nikon-F4-Besitzern, die ihn offenbar eher akzeptieren. Den Nikon-F4-Besitzern macht die professionelle Konzeption ihrer Kamera mit Wechselsucher, schnellem Motor und klassischen Einstellelementen am meisten Freude. Auf großen Beifall stieß auch die Systemkompatibilität mit älteren Nikon-Objektiven. Kritisiert wurde in erster Linie das hohe Gewicht der F4. Obwohl generell sehr gute Noten für den Bewertungspunkt Handlichkeit und Bedienung an die F4 vergeben wurden, stießen voluminöse Größe und hohes Gewicht auf wenig Gegenliebe. Auch der hohe Batterieverbrauch und die zu kleine Ausführung vieler Bedienungselemente waren Gegenstand der Kritik. Ganz besonders wichtig, war für uns, mit Hilfe unserer Leser etwas über die Zuverlässigkeit und Alltagstauglichkeit der Kameras zu erfahren. Von den 338 erfaßten Nikon-F4-Kameras mußten insgesamt 46 wegen unverschuldeter Defekte zur Reparatur eingesendet werden. Das entspricht einer Defektquote von 13,5 Prozent. Neun von den 46 Kameras mußten sogar zweimal oder häufiger den Weg in die Servicewerkstatt antreten. Auffallend häufig war unter den Sorgenkindern der Modelljahrgang 1989 vertreten (die Leser mußten aus Authentizitätsgründen Kaufdatum und Seriennummer angeben). Möglicherweise ist dies ein Hinweis auf gewisse Kinderkrankheiten, die inzwischen abgestellt sind, denn der Jahrgang 1990 weist nur noch eine Defektquote von 6,5 Prozent auf.
Sehr gut schnitt die Canon EOS-1 in der Beurteilung der Zuverlässigkeit ab. Nur sechs von den erfaßten 102 Kameras mußten zur Reparatur, was einer Defektquote von nur 5,9 Prozent entspricht. Der gute Zuverlässigkeitseindruck wird dadurch erhärtet, daß keine einzige EOS-1 mehr als einmal vom Service instandgesetzt werden mußte. Statistisch sieht der durchschnittliche EOS-Käufer so aus: Er ist männlich, 40,6 Jahre alt und belichtet exakt die erstaunliche Menge von 11,4 Filmen pro Monat. Der Durchschnitts-F4-Besitzer ist etwas älter, nämlich 41,4 Jahre, ebenfalls männlich und bringt es sogar auf 12,8 Filme monatlich.
Canon-EOS-1-Besitzer sind von den Qualitäten ihrer Kamera laut Ergebnis unserer Umfrage eher überzeugt als die Nikon-F4-Fotografen. Die Gesamtnote aus allen erfaßten Bewertungskriterien lautet 1,26 und repräsentiert eindrucksvoll das hohe Maß der Zufriedenheiten unter den Eignern des Canon-Flaggschiffs. Die Nikon-F4-Besitzer urteilen etwas weniger euphorisch - wenngleich absolut gesehen immer noch hoch zufrieden - über ihre Kameras. Die F4-Gesamtnote beträgt 1,51 und ist nur marginal schlechter. Die beste Note holte sich die EOS im Kriterium Belichtungsfunktionen, der Durchschnitt aller ausgewerteten Einsendungen belief sich in diesem Bewertungspunkt auf die Traumnote 1,18. Im Kriterium Autofokus erreichte die EOS-1 den Wert 1,38. Die Verarbeitungsqualität wurde von den 102 Einsendern im Durchschnitt mit der Note 1,19 bewertet, und im Prüfkapitel Handlichkeit und Bedienung brachte sie es auf 1,28. Aus diesen Einzelwertungen resultiert die Gesamtnote 1,26.
Bei der Nikon F4 erhält der Autofokus die schlechteste Beurteilung der Besitzer. Ein Notendurchschnitt von 1,94 kann sich zwar immer noch sehen lassen, weist aber auf eine kleine Schwäche im ansonsten überragenden Gesamtkonzept hin. Auch bei den Zusatzinformationen über die Schwächen der Kamera schrieben einige F4-Besitzer die Bemerkung "Autofokus zu langsam" nieder. Das Kriterium Handlichkeit und Bedienung wurde von den 338 Nikon-Einsendern mit der Note 1,68 versehen, wobei sich Größe und Gewicht hier kaum negativ auswirken.
Am besten werden die Eigenschaften Belichtungstunktionen (1,22) und Verarbeitungsqualität (1,21) von den Nikon-Besitzern beurteilt. Gerade der letzte Punkt findet in den Antworten zu der von uns gestellten Frage "Was gefällt ihnen an ihrer Kamera am besten?" häufig lobende Erwähnung.
Falls man die Frage "Würden Sie sich die Kamera noch einmal kaufen?" als Quintessenz aller vorherigen Betrachtungen interpretiert, so bereuen immerhin sechs von 102 Canon-EOS-1-Besitzern ihre Entscheidung, was eine Unzufriedenheitsquote von 2,94 Prozent bedeutet. Trotz der schlechteren Gesamtnote und der höheren Defektquote neigen nur fünf von 338 F4-Fotografen zu restloser Verschnupfung, das entspricht 1,48 Prozent.
Die Beurteilung der Canon EOS-1 und der Nikon F4 aus der Sicht der Besitzer vermittelt viele wertvolle Erkenntnisse und einen unauflösbaren Widerspruch, der möglicherweise mit der größeren Faszination, die die Nikon F4 ausstrahlt, erklärt werden kann. Obwohl die F4 bei der Benotung schlechter abschneidet und häufiger repariert werden mußte, bereuen weniger F4-Besitzer ihre Kaufentscheidung als Canon-EOS-1-Eigner.

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