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Artikel
1997
Test & Technik
Seitz Panoramakamera Roundshot 35/35
Jetzt gehts rund
Panoramaaufnahmen sind in. Kodak bietet die "Stretch" an, Minolta hat ein Umrüst-Set für die Dynax 7000i/ 8000i ins Programm genommen. Wirkliche Rundumaufnahmen sind damit allerdings nicht möglich - wohl aber mit der Roundshot 35/35 aus der Schweiz.
Vor siebeneinhalb Jahren in COLOR FOTO Heft 10/83 -stellten wir die Alpa Roto 60/70 vor. Die gut sieben Kilo schwere Mittelformatkamera zeichnete sich dadurch aus, daß sie sich während der Aufnahme um die eigene Achse drehen und so alles auf ein Bild bannen konnte, was um sie herum geschah.
Leider war die Begeisterung für diese Kamera zwar groß, das Kaufinteresse aber recht gering. Und so ging die Alpa Roto 60/70 den Weg aller Geräte, die viele haben, aber nur wenige bezahlen wollen. Die Fertigung wurde eingestellt.
Die Idee der kreisenden 360-Grad-Kamera war damit aber nicht gestorben. Die Firma Seitz, die auch die Roto 60/70 entwickelt und die Lizenz an Alpa verkauft hatte, beschritt für eine Neuauflage der Rundum-Kamera andere Wege. Statt Mittelformat gibt es nun Kleinbild, statt einer umfassenden Ausstattung (einschließlich der Möglichkeit, die unteren und oberen Bildteile verschieden zu belichten) erfolgte die Beschränkung auf das Wesentliche.
Außergewöhnliche Form
Geblieben ist der neuen Panoramakamera, die den Namen Roundshot 35/35 trägt, die unkonventionelle Form sowie auch die unkonventionelle Bedienung. Den Grundriß des Gehäuses bildet ein Dreieck mit allerdings deutlich gerundeten Ecken. Dieser Teil- der Kamera
ist "Filmbehälter" und "Objektivträger". Am interessantesten ist jedoch der Motor, der in einem Zylinder unter dem dreieckigen Gehäuse untergebracht ist und es in die für einen Rundum-Blick nötige Rotation versetzt. Bis zu zweieinviertel volle Umdrehungen am Stück sind möglich; mit Hilfe der Vierknopf-Fernbedienung können aber auch geringere Schwenks des Gehäuses vorgegeben werden. Sie werden in 90-Grad-Schritten programmiert ("PROGRAM"), werden abgerufen ("START") und nötigenfalls auch vorzeitig abgebrochen ("STOP"). Im deutlich ablesbaren LCD-Feld wird die gewünschte Anzahl der Vierteldrehungen angezeigt, daneben die Zahl der bereits erfolgten Vierteldrehungen. Sechs 360-Grad-Panoramaaufnahmen gehen auf einen 36er Kleinbildfilm. Für das Rückspulen muß ein roter Knopf am Motorteil in der L-förmigen Schaltkulisse nach oben geschoben werden, und er muß sich ebenfalls in dieser Position befinden, wenn die Kamera ohne Film ausprobiert werden soll.
Mit Ausnahme dieses einen Knopfes haben alle Bedienungselemente ihren Platz auf der Oberseite des Gehäuses. Es sind allerdings nicht mehr viele: Zwei Rändelschrauben werden gebraucht, damit überhaupt ein Film in die Roundshot 35/35 eingelegt werden kann. Sie sitzen symmetrisch angeordnet an der Vorderseite der Kamera. Schraubt man sie auf, kann die gesamte Gehäusehülle nach unten geschoben werden. Der
Blick fällt nun auf eine ganz gewöhnliche Aufwickelspule rechts, ein ganz gewöhnliches Patronenfach (ohne auch nur einen DX-Abtaststift) links und auf eine ungewöhnliche Andruckplatte, die fast bumerangförmig gebogen ist. Man klappt sie zum Einlegen des Films auf, und nun ist das gerade zwei Millimeter schmale Filmfenster zu sehen, durch das der Film belichtet wird. Nach dem etwas fummeligen Filmeinlegen - die Aufwickelspule sollte gegen ein besseres Modell ausgewechselt werden - wird die Andruckplatte zugeklappt und das Gehäuse mittels der beiden Rändelschrauben wieder geschlossen. Ob der Film tatsächlich richtig eingelegt ist und transportiert wird, zeigt ein Blick auf die Rückspulkurbel, während man das Gehäuse von Hand ein wenig dreht.
Recht genau in der Mitte einer kreisförmigen Platte auf der Gehäuseoberseite sind zwei Hebelchen untergebracht, mit denen Verschlußzeit und Blende eingestellt werden. Die Verschlußzeitenreihe reicht von 1/15 Sekunde bis 1/1000 Sekunde. Diese Werte sind rot aufgetragen; der Verschlußzeitenhebel ist farbig darauf abgestimmt. Die Blendenreihe geht von 2,8 bis 22, ist weiß aufgetragen; entsprechend ist der Blendenhebel gefärbt.
Vor dem Einstellen von Verschlußzeit und Blende ist zweierlei zu tun. Erstens muß die Belichtung mit einem Handbelichtungsmesser festgestellt werden, denn die Roundshot 35/35 bietet keinen eingebauten Belichtungsmesser. Je nachdem, welchen Bildwinkel die Kamera bestreichen soll, sind mehrere Messungen mit anschließender Mittelwertbildung empfehlenswert.
Die Blende muß passend zum Motiv gewählt werden. Die Bildbeurteilung ist dank des Spiegelreflexsuchers auf der Mattscheibe recht gut möglich, wenn man zum einen berücksichtigt, daß nur ein kleiner Teil des horizontalen 90- bis 360-Grad-Bildwinkels auf einmal vom Objektiv erfaßt wird, und wenn man zum anderen die mitgelieferte Sucherlupe verwendet. Aus der Art des Motivs wird die Schärfenzone abgeleitet, die möglichst das gesamte Motiv erfassen sollte. Das Objektiv ist so eingestellt, daß bei Blende 5,6 ab zehn Meter, bei Blende 11 ab fünf Meter und bei Blende 22 schon ab zweieinhalb Meter alles scharf abgebildet wird. Da das Objektiv weder gewechselt noch fokussiert werden kann, wird die Ausdehnung der Schärfenzone nur über die Blende gesteuert, was zur Belichtungssteuerung die Nachführung der Verschlußzeit nötig macht.
Eine Sekunde mit 1/1000 belichten
In diesem Zusammenhang stellt sich unwillkürlich die Frage: Wie kann eine Panoramakamera, die sich für eine 360-Grad-Aufnahme einmal um die eigene Achse dreht und dafür ziemlich genau eine Sekunde braucht, Belichtungszeiten von 1/15 Sekunde bis 1/1000 Sekunde bieten?
Die Antwort ist einfach: Während die Kamera sich dreht, wird der Film transportiert und dabei an einem feststehenden Schlitz vorbeigezogen. Dessen Breite ist veränderlich. Aus der Geschwindigkeit des Filmtransports, die übrigens nicht variabel ist, und der Schlitzbreite ergibt sich die Verschlußzeit. Es handelt sich also um einen Schlitzverschluß mit umgekehrten Vorzeichen, denn in einer normalen Spiegelreflexkamera bestimmen Breite und Geschwindigkeit eines beweglichen, von zwei Vorhängen oder Rollos gebildeten Schlitzes die Belichtungszeit. Die Blende ist übrigens bei der Roundshot 35 keine Irisblende, wie man sie aus Objektiven für herkömmliche SLR-Kameras kennt; es wird vielmehr die Höhe des Verschlußschlitzes verändert.
In der Praxis zeigt sich, daß weder der feststehende Schlitz noch die Ausführung der Blende der Belichtungsgenauigkeit Abbruch tun. Es kommt lediglich darauf an, den Handbelichtungsmesser richtig einzusetzen. Dennoch können am linken und rechten Rand eines jeden Bildes leichte, schräge Abschattungen vorkommen.
Des Rätsels Lösung liegt in der Besonderheit der Kamera: Sie rotiert während der Aufnahme, ist aber eine SLR-Kamera mit Schwingspiegel. Nach dem Druck auf die "START"-Taste des Fernauslösers setzt sich die Kamera sofort mit der Höchstgeschwindigkeit in Bewegung, da ein langsamerer Anlauf zu einer Überbelichtung der ersten Bildteile führen würde. Im Moment des Auslösens schwingt aber auch der Spiegel nach oben und schaltet dabei für einen winzigen Moment einen kleinen Teil des Bildes ab. Wenn es also auf eine wirklich exakte Passung von Bildanfang und Bildende ankommt, wählt man vorsichtshalber eine Viertelumdrehung mehr und kann dann den gewünschten Bildausschnitt aus dem längeren Filmstreifen schneiden.
Apropos längere Bildstreifen - was kann man mit den Panoramaaufnahmen eigentlich machen? 90-Grad-Aufnahmen auf Diafilm lassen sich beispielsweise noch mit einem 6x6-Projektor auf die Bildwand werfen, denn sie sind etwa 24x54 Millimeter groß und passen in 6x6-Rähmchen, die man entsprechend abklebt. Panorama-Aufnahmen mit größerem Bildwinkel sollten dagegen vergrößert werden. Es gibt nicht wenige Labors, die mit ihren 8x10-lnch-Vergrößerern auch Dias oder Negative aus der Roundshot 35/35 verarbeiten können.
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