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Artikel

1997

Beratung

Welche ist der bessere Kauf? Minolta X-300s oder Ricoh KR-10M?

Newcomer contra Etablierte

Ricoh bringt mit dem neuen Modell KR-10M frischen Wind in die Einsteigerklasse der SLR-Kameras um 500 DM. Die Kamera glänzt mit einer üppigen Ausstattung. Ob sie der etablierten Konkurrentin und meistverkauften Kamera dieser Klasse, der Minolta X-300s, das Wasser reichen kann, soll diese Kaufberatung klären.

Die meistverkaufte Spiegelreflexkamera des Jahres 1989 und hochgerechnet auch 1990 heißt nicht etwa Minolta Dynax 8000i oder Canon EOS 10, ausgerechnet die technisch wenig aufregende Minolta X-300 führt die Liste der Bestseller mit Abstand an. Anfang des Jahres wurde der Minolta-Dauerbrenner, der bereits seit 1984 im Programm ist, einem geringfügigen Facelifting unterzogen. Es gibt sie jetzt nur noch in "Profischwarz", wie es früher einmal hieß. als die Kameras noch zweifarbig waren, und der Sucher informiert jetzt auch über die eingestellte Blende. Der Erfolg dieser unscheinbaren Kamera dürfte wohl in erster Linie in der Relation zwischen Preis und Leistung zu suchen sein. Für rund 500 DM, je nach Objektivbestückung, bietet sie sowohl sachliche Vorzüge als auch ein gutes Markenimage. Abgesehen von der Pentax K 1000 halten sich die renommierten japanischen Hersteller aus dieser Klasse heraus und überlassen
sie den sogenannten zweitrangigen wie Cosina, Chinon, Praktica, Exakta oder Ricoh. Letzterer, Gigant unter den Kopiererherstellern der Welt, betrachtet Kameras heutzutage nur noch als lukratives Nebengeschäft, mit dem die optische Tradition des Hauses fortgeführt wird, denn Ricoh begann einst mit der Herstellung von Ferngläsern und Kameras. Bisher war man mit der einfachen, elektronisch gesteuerten Zeitautomatik-Kamera Ricoh KR-10x im unteren Segment des Spiegelreflexkamera-Marktes vertreten, das Nachfolgemodell KR-10M wirkt schon auf dem Papier spektakulärer. Bereits nach flüchtiger Lektüre der technischen Daten muß man der neuen Ricoh eine Ausstattung bescheinigen, mit der sie in dieser Klasse Maßstäbe setzt und die man sonst nur in Kameras findet, die 200 DM teurer sind.
Gerade ein Vergleich mit der das Flair eines Standardmodells verbreitenden Minolta X-300s läßt die Ricoh glänzen, kann sie doch mit solch modernen Ausstattungsmerkmalen wie Belichtungsreihenautomatik, integriertem Winder mit motorischer Rückspulung, einem schnellen Verschluß mit sehr großem Zeitenbereich und einem Flüssigkeitskristall-Display aufwarten. Dem hat die Minolta X-300s erwartungsgemäß wenig entgegenzusetzen, sie repräsentiert das klassische Einsteigermodell in das SLR-System eines großen Kameraherstellers und steht deswegen in der Hierarchie ganz unten, ist also entsprechend abgemagert. Einst bestand die X-Serie bei Minolta als letzte Kamerareihe mit dem traditionellen SR-Bajonett aus den drei Modellen X-700, X-500 und X-300, die X-300 als Benjamin mußte deshalb auf die TTL-Blitzmessung auf der Filmoberfläche und auf eine Programmautomatik verzichten, behielt aber wesentliche Merkmale der X-Reihe wie die volle Systemkompatibilität mit Motorwinder und Motordrive sowie die Anschlußmöglichkeit an eines der größten Objektiv- und Zubehörsysteme der Welt. Mehr Kamera fürs Geld bietet natürlich die Ricoh KR-10M, weil sie in der Ausstattung mit Abstand vorn liegt und nur geringfügig teurer ist als die X-300s. Der Preisvergleich in Zahlen manifestiert sich so: Das KR-10M-Gehäuse kostet 399 DM, für die Minolta X-300s muß der Fotograf ohne Objektiv etwa 330 DM bezahlen, mit dem nach wie vor empfehlenswerten Standardobjektiv 1,7/50 mm ergibt sich ein Verhältnis von 498 DM zu 450 DM. Eine besonders günstige Offerte stellt die Minolta mit dem MD 28-70mm-Zoomobjektiv dar. Diese vielseitige Kombination kostet nur etwa 550 DM, für die Ricoh mit Standardzoom 35 bis 70 mm müssen rund 570 DM bezahlt werden. Addiert man 278 DM für den Minolta-Winder G hinzu, der die Minolta in einem wesentlichen Ausstattungspunkt mit der Ricoh beinahe gleichziehen läßt, wird der Preisvorteil der Ricoh erst so richtig deutlich.
Die Tipptasten-Bedienung mit Displaykontrolle bei der Ricoh ist Stand der Technik, die analoge Bedienung der Minolta mit Einstellrädern und Schiebeschaltern hat heutzutage schon etwas Nostalgisches, wenn sie auch gerade bei Schnappschüssen wegen der reaktionsschnellen Umsetzung Vorteile bietet. Einen Meßwertspeicher, der bei geschickter Anwendung durchaus in der Lage ist, die Spotmessung, die nur teuren Kameras vorbehalten ist, zu ersetzen, besitzen beide Kontrahenten. Für die Minolta sprechen noch das umfangreiche Zubehörsystem und das Objektivprogramm, das hinter der Marke steckt und weitgehend auch für die X-300s geeignet ist. Bei Bedarf kann man aus der X-300s eine Reporterkamera mit einer Aufnahmefrequenz von fünf Bildern pro Sekunde machen, hierzu bedarf es nur des Einsatzes eines 500-DM-Scheins; bei der Ricoh ist diese Art von Tuning unmöglich. Ricoh-Fotografen, die mit der
etwas knapp geschnittenen Objektivpalette der Rikenone ihre Probleme haben, können aufgrund des universellen K-Bajonetts beispielsweise auch bei Pentax einkaufen Die Gegenüberstellung der beiden Einsteigerkameras Minolta X-300s und Ricoh KR-10M fördert einen entscheiden Gegensatz in Produktphilosophie und Kameratechnik zu tage. Die Minolta verkörpert den Basis-Baustein zu einem großen Kamerasystem und ist für den Fotografen der preiswerteste Schlüssel dazu. Als Basisprodukt beschränkt sich ihre Ausstattung auf das Wichtigste, beinhaltet aber schon Zeitautomatik, manuelles Nachführsystem und Meßwertspeicherung. Die X-300s präsentiert sich gut verarbeitet und in wichtigen Details, beispielsweise Helligkeit des Sucherbilds, vorbildlich. Die Ricoh möchte möglichst viel Kamera fürs Geld sein und erreicht dies mit fortschrittlicher Technik, die sich auf der Höhe der Zeit befindet, Attribute wie DX-Abtastung, Bracketing und die Tipptastenbedienung mit Display deuten zweifellos daraufhin. Bei so verschiedenen Kamera-Charakteren, die lediglich die Preisklasse und ein paar - wenn auch wesentliche - Ausstattungsmerkmale gemeinsam haben, fallt die Wahl nicht schwer. Der engagierte Fotograf mit schmalem Geldbeutel wird wohl kaum an der Minolta X-300s vorbeikommen, während der Kompaktkamera-Einsteiger mit kreativen Ambitionen zum Kompaktkamerapreis eine vorbildlich ausgestattete moderne Kamera sehr guter Qualität in Gestalt der Ricoh KR-10M findet. Daß viele Fotografen es sich nicht allzu leicht machen wollen, beweist der Verkaufserfolg der X-300, die nach den Maßstäben, die man an eine Einsteigerkamera anlegt, die bessere Kamera ist.

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