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Artikel
1997
Fotopraxis AUFNAHMETECHNIK
Panorama-Kamera Widelux 1500
Rundumschlag
Bereits einige Wochen vor der offiziellen Eröffnung des neuen Flughafens München II konnte COLOR FOTO einen Blick hinter die Kulissen werfen. Mit dabei war die Widelux 1500, eine Spezialkamera für Panorama-Fotos im Mittelformat mit schwenkbarer Optik und einem Bildwinkel von 150 Grad.
Wer Panorama-Aufnahmen machen will, kommt über kurz oder lang um den Erwerb einer speziell für diese Anforderungen konzipierten Kamera nicht herum. Die Auswahl ist jedoch gering; zudem muß man für die angebotenen Modelle meist recht tief in die Tasche greifen. Der japanische Hersteller Panon Camera Shoko Co. Ltd. aus Tokio beispielsweise ermöglicht jedoch mit den Kameras F 8 (Kleinbild) und Widelux 1500 (Mittelformat) die Panorama-Fotografie für Anspruchsvolle zu einem vertretbaren Preis.
Panorama-Kameras übertragen die dreidimensionale Realität auf das zweidimensionale Foto so gut, daß bei der späteren Betrachtung der Raumeindruck zum großen Teil erhalten bleibt, weshalb diese Kameras besonders für die Landschafts- und Architekturfotografie geeignet sind.
Der Panorama-Effekt
Der Mensch erlebt den Panorama-Effekt täglich ohne besondere Hilfen, denn das menschliche Auge stellt neben den primären Sehwinkel von etwa vier Grad den sekundären, unbewußt erfaßten Sehwinkel von rund 140 Grad - sehr viel, wenn man bedenkt, daß ein Superweitwinkelobjektiv für die Kleinbildkamera mit einer Brennweite von 15 Millimetern gerade auf einen nutzbaren Bildwinkel von 110 Grad kommt.
Dieser Vorgabe haben die Panon-Kameras einiges entgegenzusetzen: Die Kleinbildversion F 8 bietet einen Bildwinkel von 140 Grad, das Schwestermodell Widelux 1500 mit dem Rollfilmformat hat sogar einen Bildwinkel von 150 Grad - und dies bei entsprechender Positionierung und Ausrichtung der Kamera ohne die starken Verzerrungen der Superweitwinkel-Brennweiten.
Was erwartet den Panorama-Fotografen, oder vielmehr: worauf muß er verzichten, wenn er mit einem dieser beiden Kameramodelle fotografiert, die weder die Möglichkeit des Objektivwechsels noch moderne Elektronik bieten?
Die Widelux 1500 präsentiert sich mit einer eher spartanischen Ausstattung. Charakteristisch für die Widelux-Kameras ist der halbrunde, erkerförmige Vorbau, in dem das Aufnahmeobjektiv versteckt ist. Die Kenndaten der 1500 sind: Brennweite 50 Millimeter, Fokussierung ein Meter bis unendlich, Lichtstärke 2,8. Der Vorbau und das in ihm befestigte Objektiv schwenken während der Belichtung im Uhrzeigersinn über die gesamte Breite des Motivs. Der schmale, im Zylinder sitzende senkrechte Schlitz auf der Rückseite belichtet mit zeitgleicher Bewegung den auf der entsprechend geformten Rundung aufliegenden Film.
Drei Verschlußzeiten einstellbar
Die Belichtungsgeschwindigkeit hängt von der eingestellten Belichtungszeit ab. Das Foto wird streifenweise, wie in einem Scanner, aufbelichtet. Durch die Bewegungsgeschwindigkeit des Zylinders ergibt sich am Ende ein aus den "Einzelphasen" zusammengeschmolzenes Gesamtbild. Die Auswahl der Belichtungszeiten erscheint sehr begrenzt: 1/8, 1/60 und 1/250 Sekunde. Kennt man die möglichen Einstellungen der Widelux F 8, so weiß man die 1/8 Sekunde zu schätzen, die bei Aufnahmen im Dämmerlicht oder bei Innenraum-Fotos effektiv eine um eine Blende reichlichere Belichtung bei gleicher Schärfentiefe erbringt. Der Sprung zur 1/60 Sekunde fällt mit drei Belichtungswertstufen sehr groß aus; die 1/250 Sekunde reicht für Bewegungsaufnahmen völlig aus. Die Blendenwerte reichen von 2,8 bis 22. Sie werden direkt am Objektiv mittels eines kleinen Rädchens eingestellt. Dabei erscheinen die kleineren Werte wenig praxisgerecht, weil man aufgrund des größeren Formats, der Brennweite und vor allem des Raumeindrucks möglichst mit kleineren Blendenöffnungen arbeiten sollte.
Die Widelux 1500 hat, im Gegensatz zur Fixfokusversion F 8, ein fokussierbares Objektiv, das aufgrund der im Vergleich längeren Brennweite und der besonderen Anforderungen bei Mittelformataufnahmen notwendig wurde. Es steht jedoch weder ein Mischbildentfernungsmesser noch eine andere Hilfe zur Verfügung, wenn man an dem zweiten kleinen, ebenfalls neben dem Objektiv angebrachten Rädchen stufenlos die Entfernung einstellt. Die Einstellmarkierungen reichen von einem Meter bis zehn Meter beziehungsweise unendlich.
Auf der Oberseite der Kamera sind zwei Drehknöpfe beidseitig vom Durchsichtssucher (100 Prozent) zu finden. An dem linken Rädchen werden die drei Belichtungszeiten eingestellt, der rechte Knopf dient dem Transport des 120er Rollfilms. Im Unterschied zur Kleinbildversion muß man bei der Widelux 1500 den Verschluß extra spannen. Dies geschieht durch einen Hebel, der auf der Kamerarückseite unterhalb des Durchsichtssuchers angebracht ist. Der Auslöser wurde neben dem Transportknopf, der zugleich das Zählwerk beinhaltet, plaziert.
Öffnet man die Rückwand dieser ganz aus Metall bestehenden, fest verschraubten Kamera, so findet man zwei Andruckrollen und die Startmarke für Rollfilme.
Die recht simpel konstruierte Wasserwaage auf der Oberseite des Durchsichtssucher ist für hochwertige Aufnahmen wichtig. Leider findet man im Sucher keine Einspiegelung, die das Arbeiten vereinfachen würde.
Das Fotografieren mit der Mittelfommat-Panorama-Kamera Widelux 1500 erfordert einige Zeit und Ruhe: Das notwendige stabile Stativ muß für jede Aufnahme neu plaziert werden, und beim Herausfinden des richtigen Bildausschnitts muß der Fotograf - zumindest am Anfang Geduld haben. Übung macht aber auch hier den Meister.
Ihre besondere Faszination übt die Widelux 1500 durch die Verwendung von Rollfilmen für Panorama-Aufnahmen aus. Was aber kann eine Kamera tatsächlich leisten, die komplett fast so viel kostet wie ein vergleichbares Weitwinkelobjektiv für eine Mittelformatkamera? Die mit der Widelux 1500 (Nummer 620425) auf dem Flughafen München 11 gemachten Fotos zeichnen sich durch eine ausgewogene Helligkeitsverteilung und gute Schärfeleistung aus. Die Investition in das größere Format lohnt sich für den Widelux-Fotografen, wenn auch die Abbildungsqualität etwa eines teuren Zeiss-Distagon-Objektivs nicht erreicht wird. Was hier jedoch wichtiger erscheint, ist der ganz eigene Charakter der Panorama-Aufnahmen, von denen der Fotograf lediglich sechs Belichtungen in der Formatgröße 50x122 Millimeter auf einen Rollfilm 120 belichten kann. Dies bedeutet unweigerlich eine sehr genaue und überdachte Wahl von Motiv und Bildausschnitt sowie auch eine äußerst präzise Belichtungsmessung, um den Materialverbrauch in Grenzen zu halten. Die Negative lassen sich nur mit einem Vergrößerungsgerät weiterverarbeiten, das Formate von mindestens 4x5 Inch aufnehmen kann.
Die Widelux 1500 in der Praxis
Neben der Landschaftsfotografie gehören Architekturaufnahmen zu den Domänen der Panorama-Kameras. Besonders Innenraum-Aufnahmen stellen hohe Anforderungen. Für unsere Beispielfotos besuchten wir den Terminal C des neuen Flughafens München 11 und bauten in der Hektik der letzten Wochen vor der offiziellen Eröffnung die Widelux zwischen Farbeimern und Teppichrollen auf, um den noch fast menschenleeren Abfertigungsbereich festzuhalten. In einer solchen Raum- und Beleuchtungssituation zeigt eine Kamera wie die Widelux 1500 ihre Stärken und Schwächen. Bei den Vorbereitungen für die Flughafen-Aufnahmen wurde ein besonderes Augenmerk auf die Auswahl des Filmmaterials gelegt, denn mit den drei angebotenen Belichtungseinstellungen der Kamera wird der Aktionsradius entsprechend eingeschränkt. Gute Erfahrungen mit dem Einsatz höherempfindlicher Farbnegativfilme bei ähnlichen Objekten ließen die Wahl auf dieses Material fallen. Zum einen kann man dank des gegenüber dem Diamaterial größeren Belichtungsspielraums und der flacheren Gradation die hohen Beleuchtungskontraste, wie man sie bei Innenraumaufnahmen fast immer antrifft, besser in den Griff bekommen. Zum anderen können später im Labor noch Detailverbesserungen, sowohl in der Lichtstimmung als auch in der Farbwiedergabe, sehr viel einfacher vorgenommen werden. Diese Wahl ersparte die bei Dias übliche Belichtungsreihe und somit den Einsatz größerer Filmmengen. Die endgültige Wahl fiel vor Ort nach der ersten Belichtungsmessung auf den Fujicolor 400 Professional (NHG 120). Fast alle Aufnahmen konnten aufgrund der gewählten Filmempfindlichkeit mit Blende 16 bis 22 und einer Belichtungszeit von 1/60 Sekunde belichtet werden. Die kleine Blende war aus zwei Gründen nötig: Die große Schärfentiefe ist für die Erfassung alle Raumdetails notwendig, und die optische Qualität steigert sich mit zunehmender Abblendung beim Objektiv der Widelux 1500, weshalb man hier mit Blendeneinstellungen von 11 bis 22 arbeiten sollte.
Bei der Testkamera stellte sich heraus, daß die Fokussierung des Objektivs recht ungenau erschien, was bei einer Brennweite von 50 Millimetern und einer größeren Blendenöffnung zu Schärfeproblemen führen kann. Auch konnten die Nahaufnahmen bei einem Aufnahmeabstand von weniger als 5 Metern nicht überzeugen. Um so erfreulicher waren die Bildergebnisse bei den Übersichtsaufnahmen - hier liegt die besondere Stärke dieses Kamerakonzepts.
Das Einlegen der Filme gestaltet sich einfacher als bei der Kleinbildversion Widelux F 8. Die leere Filmspule wird nach rechts umgesteckt; von links wird der Film vorgespult, bis die Filmstartmarkierung mit der Pfeilmarkierung auf dem Filmanfang übereinstimmt. Nach dem Schließen der Rückwand muß vor dem Weitertransport unbedingt der Auslöser gedrückt werden - andernfalls erfüllt das Bildzählwerk seine Funktion nicht. Das Drücken des Auslösers ist im gespannten und im ungespannten Zustand möglich. Danach erst kann bis zur Markierung "1" transportiert werden. Die Belichtungszeit für die nun folgenden Aufnahmen sollte man mit einem guten Handbelichtungsmesser - vorzugsweise einem Spotbelichtungsmesser - genau bestimmen. Da man nur drei Belichtungszeiteinstellungen vorfindet, wird man zu der meist gewählten 1/8 Sekunde die notwendige Blendeneinstellung suchen. Hierbei können, wenn Farbnegativfilm geladen ist, auch Uber- oder Unterbelichtungen von einer Blende problemlos vorgenommen werden, was bei unserem Beispiel in den hellen Fensterbereichen des Flughafens und in den dunklen Bereichen beim Check-in ratsam schien.
Die Einstellung der Blende und der Fokussierung wird mit den beiden dafür vorgesehenen Rädchen vorgenommen, wobei dasjenige für die Fokussierung bei unserer Kamera sehr leichtgängig war und sich allein durch Hantieren mit der Kamera verstellte. Zur Festlegung der Fokussierung kann man außer auf die Schätzmethode auch auf die Entfernungsmessung einer zusätzlich mitgeführten Kleinbildkamera vertrauen. Mit einer Contax RTS III ermittelten wir die Entfernung wie auch - mit der Spotmeßfunktion - die Belichtungszeit.
Kein Drahtauslöser-Anschluß
Die Belichtung erfordert behutsames Vorgehen, denn leider ist kein Drahtauslöser unschließbar, was bei dieser Kamera wünschenswert wäre. Die Belichtungseinstellungen 1/8 und 1/60 Sekunde lassen sich leicht auslösen. Die 1/250 Sekunde zeigte einen starken Rückschlag, was auch bei den späteren Vergrößerungen an der Randbegrenzung auszumachen war.
Bei den Belichtungen mit der Widelux 1500 trat die bei der F 8 vorkommende Gegenlichtempfindlichkeit weniger stark auf. Doch genauso wie bei der kleinen Schwester werden auch bei der 1500 parallel zur Filmebene aufgenommene Flächen konstruktionsbedingt stark tonnenförmig verzeichnet; bei allen Flächen, die schräg in das Motiv hineinreichen, läßt sich dagegen Räumlichkeit fotografisch sehr gut umsetzen. Diese systemeigene Besonderheit sollte man sich vor der Auswahl des Kamerastandpunkts immer bewußt machen. Verschwenkungen aus der Waagerechten führen zu unschönen Verzerrungen, die nur in Ausnahmefällen zu einer guten Bildgestaltung beitragen.
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