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1998

BERATUNG Kaufberatung

Ausgewählte Mini-Kameras mit Autofokus 

Die feinen Kleinen

Alternativ zu immer voluminöseren Kompaktkameras mit Zoomobjektiv und raffinierter elektronischer Ausstattung sind die Kleinstkameras mit Autofokus stark im Kommen. Eignen sich die Winzlinge wirklich für gute Bilder, oder sind sie eher als nette Mitbringsel zum Knipsen gedacht?

Konica, der große Film- und kleine Kamerahersteller, war bei den Mini-Kameras mit Autofokus den Großen wie so oft in der Kameratechnik eine Nasenlänge voraus. Immerhin verdanken wir der Firma Konishiroku die erste AF-Sucherkamera sowie die erste Spiegelreflexkamera mit integriertem Winder, die erste Spiegelreflexkamera mit mechanischer Blendenautomatik und eine der ersten Kameras mit umschaltbarer Brennweite. Mit der Konica A4 lösten die pfiffigen Konishiroku-Konstrukteure eine Welle der superkompakten AF-Sucherkameras aus, die ihren Höhepunkt noch nicht erreicht hat.
Im Club der Zwerge mischen inzwischen alle namhaften Hersteller mit. Sogar deutsche Traditionsmarken wie Leica und Rollei griffen mit den Modellen mini und Prego AF diesen Trend auf. Lange Zeit galt die Minox 35 als Maßstab für die Miniaturisierung der Kleinbildkamera. Sie ist so eng um die Kleinbildpatrone samt Bildfenster herumgebaut, daß für die übrigen Bauteile inklusive der Elektronik nur extrem wenig Platz bleibt. Der Minox-Rekord mit den Außenmaßen von 100x61x31 Millimeter (Breite x Höhe x Tiefe) ist bis heute nicht eingestellt. Auch die Minox 35 GSE, das neueste Modell, darf weiterhin als kleinste Kleinbildkamera der Welt bezeichnet werden. Doch bietet die japanische und inzwischen auch die koreanisehe Konkurrenz Kameras, die allesamt - bei wenigen Millimetern Kamera-Umfang mehr - als wichtigste Zugaben Autofokus, vollautomatischen Filmtransport und ein eingebautes Blitzgerät offerieren. Gerade die letztgenannten Ausstattungsmerkmale kommen in dieser kleinen Klasse sehr gut an, denn man möchte die Miniaturen als Zweit- oder Drittkameras nutzen, will sie immer dabei haben und möchte, daß sie ohne großes Nachdenken über Blitzblende, Filmempfindlichkeit und Entfernung einfach gute Fotos machen.
Die Konica A4 ist der Ursprung dieses kleinen Kreises ausgesuchter Zwerge, die sich bei näherer Überprüfung noch viel mehr ähneln, als es das Äußere bereits suggeriert. Denn nicht alle Marken stellen ihre Kameras selbst her. Es gibt im Grunde nur vier Originalhersteller, die anderen sind sogenannte OEM-Modelle, also Kameras, die auf den Originalen basieren, aber nach den spezifischen Anforderungen des jeweiligen Anbieters verbessert, besonders qualitätsgeprüft und im Design modifiziert wurden. Konica, Olympus, Panasonic und Samsung zeichnen bei den Zwergen als Urheber verantwortlich. Die Rollei Prego AF stammt von der Samsung Slim AF ab, genauso wie die Braun Trend Micro SM und die Voigtländer Vito AF. Von der Panasonic Super Mini C-625 AF stammen die Eingeweide der Minolta Riva Mini und viele Bestandteile der Leica mini, die aber ein eigens von Leica gerechnetes Elmar-Objektiv 3,5/35 mm besitzt.
Konica und Olympus verkaufen ihre Kameras nur unter eigenem Namen. Obwohl die A4 in der Big Mini einen großen, in den Maßen jedoch geringfügig kleineren, moderneren Konkurrenten im eigenen Haus hat, kann sie sich auch drei Jahre nach ihrem Erscheinen noch gut sehen lassen. Die A4 gibt es wegen ihrer langen Marktpräsenz inzwischen schon für rund 200 Mark, damit besticht sie durch ein sehr günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis. Zugegeben, die Big Mini wirkt für einen Hunderter mehr deutlich hochwertiger in Design und Verarbeitung, aber technisch gibt es viele Gemeinsamkeiten. Unterschiede ergeben sich in den Ausstattungsmerkmalen. Die Big Mini benötigt keine separate Taste zum Einschalten des Nahbereichs, sie fokussiert stufenlos von unendlich bis 0,35 Meter. Die Programm-Belichtungsautomatik der Big Mini verfügt über den größeren Arbeitsbereich. Ihre Blitzreichweite ist allerdings kürzer, dafür erlaubt sie den Einsatz des Blitzgeräts auch bei langsamen Verschlußzeiten. Bei beiden Kameras ist die Rückwand als Funktionsteil mit einem Display ausgebildet. Die Big Mini erlaubt wahlweise eine Überbelichtung (Gegenlicht) oder Unterbelichtung um 1,5 Blendenstufen. Die Bildqualität des in beiden Fällen verwendeten vierlinsigen Objektivs liegt an der Spitze dieses Feldes. Leider stören gelegentlich auftretende "rote Augen" bei Blitzaufnahmen den positiven Gesamteindruck.
Samsung Slim AF, Rollei Prego AF und Braun Trend Micro SM können wir getrost zusammen betrachten, weil sie in ihren Grundbausteinen übereinstimmen. Das Braun- und das Rollei-Modell verfügen zusätzlich über eine Datenrückwand, die sich mit einem Preisaufschlag bemerkbar macht. Die Samsung liegt bei rund 300 Mark, die Carl-Braun-Kamera kostet mit Datenrückwand zirka 350 Mark, und die Rollei liegt bei ungefähr 450 Mark. Alle diese Kameras sind ebenfalls mit vierlinsigen Objektiven bestückt.
Die Bildqualität der Miniaturkameras ist erstaunlich gut. Ein Problem der kleinen Linsendurchmesser scheint auch in einer gewissen Neigung zur Vignettierung zu liegen, die aber bei der Verwendung von Farbnegativfilm ignoriert werden kann.
Gemessen an der Konkurrenz von Leica, Konica und Olympus wartet das Samsung-Trio mit einer bemerkenswerten Funktionsvielfalt auf. Dank einer "Bulb"-Einstellung ermöglichen Samsung, Braun und Rollei Nachtaufnahmen auf dem Stativ. Gegenlichtsituationen lassen sich mit einer Überbelichtungsmöglichkeit von 1,5 Blendenstufen oder - wie bei den anderen Modellen - per Aufhellblitz problemlos meistern. Der Blitz schaltet sich bei schlechten Blitzverhältnissen automatisch zu, kann aber auch manuell abgeschaltet werden. Das vierlinsige Objektiv erlaubt Nahaufnahmen bis zu einem Aufnahmeabstand von 33 Zentimetern. Sogar Serienaufnahmen mit einer Frequenz von einem Bild pro Sekunde sind bei den koreanischen Kameras kein Problem. Ein allzu gezwungenes Kamera-Lächeln vermeidet der Doppel-Selbstauslöser er schießt nämlich fünf Sekunden nach der verzögerten Auslösung noch ein zweites Bild gleich hinterher.
Der besondere Clou der Samsung-Fraktion liegt aber im eingebauten Intervalltimer, mit dem sich vollautomatisch bestimmte Prozesse festhalten lassen. Der Fotograf kann zwischen den drei Intervallzeiten 60 Sekunden sowie 10 und 30 Minuten wählen. Leider hat auch die ansonsten vorbildlich ausgestattete Samsung nebst ihren beiden Zwillingen mit deutschen Namen keine Vorblitzeinrichtung zur Vermeidung der "roten Augen".
Gemessen am Ausstattungsumfang der Samsung-Gilde wirkt die Olympus [mju:]-1 geradezu spartanisch. Das formschön und ergonomisch vorbildlich gestylte kleinste Modell dieses Vergleichs besticht nicht nur durch seine Ästhetik, sondern auch durch die Reduzierung der Kamerafunktionen auf das wirklich Benötigte. Das dreilinsige Objektiv wird automatisch bis zu 35 Zentimeter fokussiert und steht den Verlinsern der Konkurrenz bemerkenswerterweise in seinen Abbildungseigenschaften sichtbar in nichts nach. Wie einst bei den nicht minder originellen XA-Modellen schaltet der Schieber auf der Kamerafrontseite die Kamera ein und gibt das Objektiv frei.
Sehr ausgeklügelt ist das Blitzsystem der kleinsten Olympus. Drei Blitzarten stehen dem Fotografen zur Verfügung. In der Funktion "Auto" schaltet sich der Blitz bei Gegenlicht und bei zu schwachem Aufnahmelicht automatisch zu. Bei "Auto-S" - diese An empfiehlt sich besonders bei Porträtaufnahmen taucht die Kamera die Person zunächst in ein Strobosko-Blitzgewitter, um sicher zu sein, daß sich die Pupillen weit genug geschlossen haben und keine Gefahr mehr besteht, daß die stark durchblutete Netzhaut durch die weit geöffnete Pupille rot erscheint, was Ursache für den berüchtigten "Rote-Augen-Effekt" ist. In der Stellung "Off" ist der Blitz abgeschaltet, stimmungsvolle Available-Light-Aufnahmen sind somit möglich. Bei "Fill-In" tritt der Aufhellblitz in Erscheinung, wenn der Fotograf es will. Die Olympus [mju:]-1 vertritt am überzeugendsten das Konzept der Mini-Kamera: Wenige, aber sinnvolle Funktionen, geringste Maße und niedriges Gewicht sowie ein überzeugendes Design machen sie zum Favoriten in dieser Gruppe, bei dem auch die Bildqualität nicht abfällt. Die Bildqualität ist auch die Stärke der Leica mini, mit rund 500 Mark die teuerste Kandidatin in dieser Gruppe. Das selbstgerechnete Elmar 3,5/35 mm mit dem fest eingebauten UV-Filter macht aus dem soliden elektromechanischen Panasonic-Fundament erst eine Leica. Gegenüber den Fotos von den Vergleichskandidaten hatten die Leica-Bilder stets das Quentchen Schärfe mehr, das sich aber erst bei Vergrößerungen ab 13 x 18 Zentimeter deutlich auswirkt. Es lohnt sich also doch, wenn japanisches Know-how mit deutscher Objektivbaukunst veredelt wird. Ein Nachteil besteht allerdings darin, daß die Leica mini nur bis 65 Zentimeter scharfstellt. In der Ausstattungsdisziplin bietet die Leica ansonsten Ordentliches; speziell die Samsung und ihre "deutschen" Varianten sind der Leica in dieser Disziplin aber überlegen. Exklusiv wartet die kleinste Leica dafür mit einem Meßwertspeicher auf, der als Ersatz-Spotmessung fungieren kann. Außerdem bietet sie als einzige in diesem Vergleich die Möglichkeit, mit einer festen Unendlich-Einstellung den Autofokus außer Kraft zu setzen und erlaubt so Aufnahmen durch Glasfenster oder läßt Vordergründe plastisch in Unschärfe verschwimmen. Die Leica mini empfiehlt sich also immer dann ganz besonders, wenn es in dieser Kameraklasse auf höchste Abbildungsqualität ankommt. Die Samsung-Connection erfreut durch einen hohen Ausstattungsstandard bei insgesamt sehr guten Eigenschaften, während die Rollei mit der größten Harmonie hinsichtlich Design und Technik aufwartet. Bei der Olympus wurde die Minimalphilosophie zum Wohl des Anwenders auf den Punkt getroffen. Die Konica Big Mini verströmt einen Hauch von Luxus, die Konica A4 bietet den höchsten Gegenwert fürs Geld. Fazit: Die Unterschiede zwischen den Mini-Kameras sind nicht so groß, als daß nicht letztlich der persönliche Geschmack die Kaufentscheidung treffen könnte.

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