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Artikel
1998
Test & Technik Praxisbericht
Spitzenmodelle der renommierten Hersteller im Vergleich, Teil 1
Die Wirklichkeit der Traumkameras
Nicht nur Traumfrauen, Traumautos oder Traumreisen können Leidenschaften wecken. sondern auch Traumkameras. Sie verkörpern die ideale Kamera oder kommen diesem Ideal sehr nahe. Für viele leidenschaftliche Fotografen ist der Traum von der perfekten Kamera längst Wirklichkeit geworden. COLOR FOTO wollte aber wissen, wie diese Wirklichkeit aussieht und hat in der Praxis fünf Spitzenmodelle miteinander verglichen: Canon EOS-1 Contax RTS III. Leica R5 Minolta Dynax 7xi und Nikon F4.
Für den professionellen Gebrauch konzipiert, sprechen die fünf Spitzenkameras Käuferschichten an, deren Ansprüche nicht allein auf den hohen Preis gerichtet sind. Engagierte Fotografen und Profis wollen nicht nur Image, sondern auch, oder vor allem, sinnvoll ausgestattete und zuverlässige Arbeitsgeräte mit hohem Bedienungskomfort kaufen. Unter diesem Aspekt haben wir fünf elektronische Kameras in wichtigen Motivbereichen geprüft und dabei nicht nur Positives festgestellt. Wir haben jeweils ein extremes Weitwinkelobjektiv, ein Teleobjektiv kürzerer und eines längerer Brennweite eingesetzt und wie es sich für Traumkameras geziemt, sind auch einige Objektiv-"Leckerbissen" dabei.
Für unseren Praxisbericht sind angetreten:
Canon EOS-1 mit den Objektiven EF 2,8/24 mm, EF 1,2/85 mm USM, EF 1,8/200 mm USM;
Contax RTS III mit Distagon T* 4/18 mm, Planar T* 1,4/85 mm, Sonnar T* 2,X/1 X0 mm;
Leica R5 mit Super-Angulon-R 4/21 mm, Summilux-R 1,4/80 mm, APO-Telyt-R 3,4/180 mm;
Minolta Dynax 7xi mit den Objektiven AF 2,8/20 mm, AF 1,4/85 mm, AF-APO 2,8/200 mm;
Nikon F4 mit AF Nikkor 2,8/20 mm, AF Nikkor 1,8/85 mm, AF Nikkor 2,8/180 IF-ED N.
Landschaft
Auf den ersten Blick ein einfaches und einfach zu bewältigendes Motiv. Jeder von uns hat schon Landschaftsaufnahmen gemacht: Übersichtsbilder von grünen Wiesen mit Baumgruppen, im Hintergrund Berge oder zumindest Hügel und womöglich auch noch ein Dorf mit herausragendem Kirchturm. in die Landschaft idyllisch eingebettet und in der Bildmitte plaziert. Solche Aufnahmen gelingen bei flacher Frontalbeleuchtung mit jeder Kamera und in jeder Automatikfunktion, zumal die Anordnung der bildwichtigen Elemente der Gewichtung der Integral- oder Mehrfeldmessung entspricht. Doch viele, die sich eine unserer Traumkameras kaufen, versprechen sich, von den Prospekt-Textern angestachelt, mehr davon, nämlich Bilder wie in den Kameraprospekten wiedergegeben, mit einem ausgewogenem Bildaufbau, viel räumlicher Tiefe, betontem Vordergrund, dramatischer Lichtstimmung. Solche Fotos liefert aber keine Belichtungsautomatik, auch nicht die der Traumkameras - zumindest nicht ohne Zutun des Fotografen.
Beginnen wir unseren Vergleich mit einem relativ einfachen Motiv, einer Landschaftsaufnahme in diffusem Licht, bei der die Horizontlinie etwa im unteren Drittel des Bildes verläuft. Eingesetzt wurde jeweils die Programmautomatik (bei der Contax RTS III die Zeitautomatik) zusammen mit Integral- oder Mehrfeldmessung. Bei der mittenbetonten Integralmessung der Leica R5 und der Contax RTS III war aufgrund der Gewichtung der Meßzellen eine leichte Unterbelichtung zu erwarten. Etwas überrascht hat uns bei der Contax jedoch das Ausmaß der Fehlbelichtung, wobei wir die Tendenz zur Unterbelichtung auch bei anderen Testaufnahmen immer wieder festgestellt haben. Wir vermuteten nach dem ersten Testfilm eine Fehlübertragung der DX-Kodierung, doch das war nicht zutreffend. Bei den nächsten Testfilmen haben wir nämlich die Filmempfindlichkeit manuell eingestellt, was aber ohne Auswirkung blieb. Am genauesten belichtete die Wabenfeldermessung der Minolta Dynax 7xi und die Mehrfeldmessung der Canon EOS-1. Die Matrixmessung der Nikon F4 belichtete hier eine halbe Stute zu knapp, was angesichts der Tatsache, daß sie bei den anderen Testaufnahmen ausgezeichnet arbeitete, eher als Ausrutscher zu betrachten ist. Mit Selektivmessung und Meßwertspeicher waren die Bildergebnisse mit allen Testkameras tadellos.
Genau belichtete Aufnahmen haben wir dagegen beim Landschaftsmotiv im Hochformat erwartet. Die Helligkeitsverteilung im Bild hätte von jeder Integral- oder Mehrfeldmessung erfaßt werden müssen.
Die Canon EOS-1 und die Nikon F4 arbeiteten sehr genau, während die Minolta Dynax 7xi und die Leica R5 eine Drittelstufe zu knapp belichteten. Die Contax RTS III fiel unverständlicherweise auch bei diesem einfachen Motiv durch eine Unterbelichtung von über einer Stufe unangenehm auf:
Die Handhabung der fünf Kameras bereitet bei Landschaftsaufnahmen keine größeren Probleme. zu kritisieren sind hier aber einige Einzelheiten. Bei der Dynax 7xi beispielsweise sind Hochformataufnahmen nur bei gehißtem Ellenbogen möglich, was die Verwacklungsgefahr erhöht. Geübte Leica-Fotografen lösen bei Hochformataufnahmen mit dem rechten Daumen aus, während das Objektiv zwischen Zeige- und Mittelfinger festgehalten wird. Dadurch kann der Fotograf beide Ellenbogen am Körper abstützen und verwacklungsfrei fotografieren. Allerdings verdeckt bei dieser Kamerahaltung der Zeigefinger das Lichtfenster für die eingestellte Blende und Verschlußzeit. Gut gelöst ist die Handhabung bei der Contax RTS III, die einen Hochformatauslöser eingebaut hat. In der Grundausstattung ist die Handhabung der EOS-1 und der Nikon F4 genauso problematisch wie bei der Dynax 7xi, doch mit angesetztem Booster (EOS-1) beziehungsweise Batterieteil MB 21 (F4) verfügen beide Kameras über einen Hochformatauslöser.
Die Belichtungskorrekur, die, wie unsere Testaufnahmen gezeigt haben, öfter als wünschenswert gebraucht wird, ist bei der EOS-1 und der Nikon F4 vorbildlich gelöst. Sie läßt sich auf einfache Weise einstellen, und der Korrekturwert wird im Sucher angezeigt. Bei der Dynax 7xi wird der Korrekturwert nur bei der Einstellung, nicht aber bei der Druckpunktnahme und nach dem Auslösen angezeigt. Bei der Contax RTS III wird im Sucher nur angezeigt, ob eine Korrektur im Plus- oder im Minusbereich erfolgt ist, nicht aber das Ausmaß der Korrektur. Doch zumindest die Korrektureinstellung erfolgt auf konventionelle Weise, wobei das Korrekturrad dort sitzt, wo für gewöhnlich das Verschlußzeitenrad angesiedelt ist. In dieser Disziplin ist die Leica R5 eindeutig das Schlußlicht. Die Belichtungskorrektur ist zwar einfacher vorzunehmen als bei der R4, doch immer noch zu umständlich. Der Sperrknopf muß zunächst arretiert und der Korrekturfaktor über einen wenig bedienungsfreundlichen Hebel eingestellt werden. Ein hektisch blinkendes rotes Dreieck im Sucher informiert nur darüber, daß eine Belichtungskorrektur eingestellt ist, über den Korrekturbereich und -wert wird man buchstäblich im dunkeln gelassen.
Bei Landschaftsaufnahmen ist es wichtig, die Schärtentiefe direkt auf der Einstellscheibe betrachten zu können. Die EOS-1, RTS III, R5 und F4 haben eine konventionelle Abblendtaste, während die Dynax 7xi einen sogenannten Bildwirkungs-lndikator mit fünf Stufen hat. Damit konnten wir uns aber nicht anfreunden, denn die Schärfentiefe kann nicht direkt beurteilt, sondern nur geschätzt werden, was sogar mit der Gravierung auf herkömmlichen Objektiven genauer möglich ist.
Gute Dienste, besonders bei Landschaftsfotografie, leistet dem bequemen Fotografen die Schärfentiefenautomatik der Canon EOS-1, bei der man mit zwei Autofokus-Messungen die Ausdehnung der Schärtentiefe vorgeben kann.
Eine oft unterschätzte Funktion ist die Programmverschiebung (Shift), die eigentlich bei jeder hochwertigen Kamera ein Muß ist. Doch lediglich die Canon EOS-1 und die Minolta Dynax 7xi verfügen über ein echtes Programmshift, während bei der Leica R5 und der Nikon F4 nur die Programmcharakteristik verschoben werden kann.
Porträt
Porträtaufnahmen im Freien sind auch bei leichtem Gegenlicht dank Selektivmessung und Zeitautomatik mit jeder unserer Testkameras spielend zu bewältigen. Auch Porträts mit Aufsteckblitz gelingen mit der TTL-Blitztechnik dieser Spitzenkameras mühelos. Die anspruchsvolle Porträtfotografie setzt jedoch, von Ausnahmen abgesehen, gekonnte Lichtführung voraus. Deswegen arbeiten beispielsweise viele Porträtfotografen im Studio mit Blitzanlagen, die eine genaue Führung und Dosierung des Lichts erlauben. Daß man dabei keine Lichtorgien veranstalten muß, zeigt die Porträtserie, bei der wir lediglich ein diffuses Hauptlicht und ein "abgemagertes" (teils abgedunkeltes) Kopflicht eingesetzt haben.
Mit Ausnahme der Minolta Dynax 7xi verfügen die getesteten Kameras über eine herkömmliche Kabelbuchse für die X-Synchronisation, an der wir das Hauptlicht angeschlossen und über die wir das Kopflicht per Fotozelle ausgelöst haben. Mit der Dynax 7xi haben wir mit dem eingebauten Blitz beide Studioblitzgeräte über Fotozellen auslösen müssen, was bei dunkel gehaltenem Vordergrund zu einer leichten, aber unerwünschten Aufhellung geführt hat. Die Auslösung über den Vorblitz funktionierte je nach Lage der einzelnen Blitzgeräte nicht immer nach Wunsch.
Noch ein Wort zu den Blitzsynchronzeiten: Sie sind bei Canon EOS-1, Contax RTS III und Nikon F4 mit 1/250 Sekunde, bei der Dynax 7xi mit 1/200 Sekunde recht kurz. Im manuellen Betrieb können auch längere Verschlußzeiten eingestellt werden, so daß auch das Umgebungslicht einbezogen werden kann. Zwar kann man auch bei der Leica R5 längere Verschlußzeiten einstellen, doch die Blitzsynchronzeit von 1/100 Sekunde mutet schon etwas antiquiert an. Profifotografen werden bei der Contax RTS III und der Nikon F4 außerdem die Möglichkeit schätzen, wahlweise den Blitz auf den ersten oder zweiten Verschlußvorhang zu synchronisieren.
Architektur
Bei Architekturfotografie denkt man für gewöhnlich an "geshiftete" Übersichtsaufnahmen, die ein Bauwerk in seiner vollen architektonischen Pracht zeigen. Auch Detailaufnahmen können jedoch ihren Reiz haben. Am genauesten arbeitete in dieser Aufnahmesituation die Minolta Dynax 7xi, während die Canon EOS-1, die Nikon F4 und die Leica R5 ein Drittel zu knapp belichteten. Die Contax RTS III lag erneut um +1 LW daneben, und das, obwohl wir die Filmempfindlichkeit diesmal manuell eingestellt hatten.
Oft vernachlässigt, kommt der Einstellscheibe mit Gittereinteilung bei Architekturaufnahmen eine große Bedeutung zu. Mit Ausnahme der Minolta Dynax 7xi kann man bei den anderen Testkameras die Standard-Einstellscheibe gegen die gewünschte austauschen. Außerdem kann man bei der Dynax 7xi in dem modifizierten Zubehörschuh keine der Herkömmlichen Aufsteck-Wasserwaagen einsetzen, so daß Architekturaufnahmen mit dieser Kamera problematisch sind.
Shiftobjektive gehören zur Objektivpalette der Canon EOS-1, der Contax RTS III und der Leica R5. Bei der Nikon F4 können beide Shiftobjektive der Nikon F3 verwendet werden. Problematisch kann es bei der Minolta Dynax 7xi werden, weil die MF-Shift-Objektive nur mit Adapter zu verwenden sind.
Stilleben
Obwohl nicht unbedingt eine Domäne der Kleinbildkamera, erfreuen sich Stilleben auch bei ambitionierten Kleinbildfotografen zunehmender Beliebtheit. Ob vorgefunden oder arrangiert, bei natürlichem Licht oder bei bewußter Lichtführung - Stilleben erfordern ein durchdachtes Bildkonzept. Die selbstgestellte Aufgabe lautete diesmal: High-Key-Aufnahme einer Amaryllis-Blüte in Schwarzweiß mit zarten Grauabstufungen bei minimaler Bildkomposition. Das Gegenlicht - von der Einstell-Lampe eines Studioblitzes erzeugt - schien durch die Blüte, die mit einer Styroporplatte leicht aufgehellt wurde. Mit Automatikfunktionen hätte man die Motivsituation nicht in den Griff bekommen. Bei manueller Belichtung und Fokussierung wurde eine Ersatzmessung (selektiv) auf die leicht schräg gehaltene Grautafel (18 Prozent Reflexion) vorgenommen. Die Belichtung erfolgte dann zwei Stufen reichlicher als der gemessene Wen. Auf diese Weise erhielten wir Negative, deren Dichte unserer Bildvorstellung entsprach.
Fazit
Die fünf getesteten Kameras sind summa summarum sehr gute Werkzeuge für den Fotoalltag, obwohl im einzelnen noch genügend Raum für die nächste Modellpflege bleibt. Die Automatikfunktionen wie auch die überwiegend sinnvolle Ausstattung erhöhen den Bedienungskomfort, sind aber noch keine Garantie für genau belichtete Aufnahmen. Die Bildergebnisse fallen sogar mit der selben Kamera je nach Motiv- und Lichtsituation unterschiedlich aus, so daß keine allgemeinen Aussagen über das Ausmaß der Fehlbelichtung gemacht werden können. Die Kameras entfalten ihre Qualitäten erst in der Hand von Fotografen, die nicht nur den Zusammenhang von Blende und Verschlußzeit kennen. sondern auch in der Lage sind, Lichtverhältnisse, Objektumfang und Kontrastverteilung genau zu beurteilen.
VOR- UND NACHTEILE IM ÜBERBLICK
CANON
Plus
vier Belichtungsmeßmethoden, kreuzförmiger AF-Sensor, Belichtungsreihenautomatik, Schärfentiefenautomatik, gute Sucheranzeigen, genau arbeitendes Meßsystem, Programmshift, auswechselbare Einstellscheiben
Minus
Hochformatauslöser nur mit Booster
CONTAX
Plus
Belichtungsreihenautomatik, Filmandruckplatte mit Vakuumeinrichtung, Hochformatauslöser serienmäßig, Spiegelarretierung, auswechselbare Einstellscheiben
Minus
keine Mehrfeldmessung, Tendenz zur Unterbelichtung, keine Programmautomatik
LEICA
Plus
klein und leicht, hervorragend ausgearbeitet, auswechselbare Einstellscheiben, einfache Handhabung
Minus
keine Mehrfeldmessung, Verschlußzeitenbereich zu eng, keine Belichtungsreihenautomatik (geht auch ohne Motorisierung), Belichtungskorrektur umständlich, Blitzsynchronzeit nur 1/100 Sek.
MINOLTA
Plus
Wabenfelder-Mehrzonenmessung, multidimensionaler Prädiktionsautofokus, großes AF-Feld, Programmshift, zahlreiche Features
Minus
Belichlungsreihenautomatik nur mit Chipkarte, keine Abblendtaste, für Architekturaufnahmen wenig geeignet
NIKON
Plus
Matrix-Belichtungsmessung, Wechselsucher auswechselbare, Einstellscheiben, gute Sucherinformation, konventionelle Handhabung, Spiegelarretierung
Minus
Autofokus erkennt horizontale Strukturen nicht, keine Belichtungsreihenautomatik, Hochformatauslöser nur mit Batterieteil MB 21
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