← Zurück

Artikel

1998

Photographica Aktuell

Ein Klassiker für wenig Geld 

Einstiegsmodell für Kamerasammler: Rolleicord V

Als Sparmodell des Mittelformats stand die Rolleicord schon immer im Schatten der Rolleiflex. Abstriche galt es freilich nur im Ausstattungskomfort zu machen, nicht jedoch bei der mechanischen Präzision und der Bildqualität. Gerade die Rolleicord-V-Reihe mit ihren zahlreichen Verbesserungen gegenüber den Vorgängerinnen verdient deshalb eine größere Beachtung bei Liebhabern alter Kameras.

Schon 1933 bekam die zweiäugige Rolleiflex, deren typisches Ausstattungsmerkmal die Kurbel für den Filmtransport war, die einfachere Rolleicord zur Seite gestellt. Sie verzichtete auf eben dieses Charakteristikum und besaß, neben anderen Vereinfachungen, einen sehr markanten Transportknopf. Rollei titulierte das Standardmodell der Zweiäugigen stets als "die Amateurkamera". Dieses Attribut behielt die Rolleicord, deren klangvoller Name an ein Musikinstrument erinnert, bis zu ihrer Produktionseinstellung im Jahre 1976. Waren die ersten Rolleicord-Modelle aus der Vorkriegszeit noch recht einfache Aufnahmegeräte und nur mit einem dreilinsigen Triotar ausgestattet, so änderte sich dies spätestens mit der Rolleicord III von 1951, die im Detail gegenüber den Vorgängermodellen bereits deutlich verfeinert war.
Erst die Rolleicord V vermittelte in der Summe ihrer Eigenschaften den Anspruch, den man von einer zweiäugigen Rollei, auch wenn es die mit Abstand preiswerteste war, erwartete. Neben einem nunmehr vierlinsigen Aufnahmeobjektiv Schneider-Kreuznach Xenar 3,5/75 mm, das es bereits im Vorgängermodell gab, wies die ab Ende 1954 erhältliche Rolleicord V zahlreiche Detailverbesserungen sowohl hinsichtlich der Funktion als auch beim optischen Erscheinungsbild auf: Besonders der große Fokussierknopf mit der integrierten DIN/ASA-Filmmerkscheibe nahm der Rolleicord das bislang vorhandene filigrane Erscheinungsbild und ließ sie deutlich erwachsener wirken. Außerdem wartete sie erstmals mit einem Selbstauslöser auf und wurde für die damals gerade in Mode kommende Einstellung nach Lichtwerten umgerüstet. Auf der Skalentrommel für die Verschlußzeiten sind die Lichtwertzahlen zusätzlich graviert. Am Blendenhebel wird der erforderliche Belichtungswert eingestellt; am Zeithebel, der rastend mit dem Blendenhebel gekuppelt ist, wird die günstigste Zeit-Blenden-Kombination mit einem Griff arretiert. Natürlich mußte zugleich die Belichtungstabelle auf der Kamerarückwand der neuen Meßeinheit angepaßt werden. Erstmals tauchen auch hier die Lichtwerte auf und damit die typischen, so gelungenen Symbole für Motivsituationen statt der vorher üblichen Kurzbeschreibungen. Neben weiteren Details wie der Blitzlichtbuchse mit Sicherheitsverriegelung ergibt das Streben der Konstrukteure nach Perfektionierung der Rolleicord V auch eine abschaltbare Doppelbelichtungssperre.
Nur 338 Mark kostete die Kamera seinerzeit. Das damalige Spitzenmodell dieser Reihe, die 2,8 D mit dem Objektiv Planar 2,8/80 mm, kostete mit 750 Mark allerdings doppelt soviel.
Aber die Geschichte der Rolleicord V ist damit noch nicht zu Ende. Immer wieder gibt es Kleinigkeiten an der bewährten Kamera zu verbessern. Markantestes Merkmal der 1958 erscheinenden Rolleiflex Va ist der Fokussierknopf, der nunmehr wie bei den Rolleiflex-Modellen - auf der linken Kameraseite seinen endgültigen Platz findet. Er muß dem neuen Zählwerk weichen, das jetzt in Verbindung mit dem Maskensatz 16 auch für sechzehn Aufnahmen des Querformates 4x4,5 Zentimeter geeignet ist. Eine hellere Einstellscheibe erleichtert das Scharfstellen über das mit einer Lichtstärke von 1:3,2 im Vergleich zur Rolleiflex (1:2,8) dunklere Sucher-Heidosmat-Objektiv.
Vier Jahre später erlebt die Rolleicord V nun als Modell Vb ihre letzten tiefgreifende Modifikation. Sie kommt in den Genuß eines bislang typischen Rolleiflex-Privilegs: Der neuartige Faltlichtschacht löst den bisherigen Tauchlichtschacht ab und ist nun auswechselbar. Die Rolleicord Vb kann deshalb alternativ mit einem starren Lupenlichtschacht oder auch mit dem Pentaprismensucher ausgestattet werden. Bis zum Produktionsende im Jahre 1976 erhält die Rolleicord Vb einen anderen Schriftzug unter dem Objektiv: Ab 1966 prangt dort nicht mehr die alte Traditionsbezeichnung "Franke & Heidecke", sondenn der nüchterne Name "Rollei-Werke". Der Fokussierknopf erhält eine "Feet"-Skala und wird etwas breiter. Die Kamera präsentiert sich in ihrer letzten Fassung hochwertig und in einem lupenreinen Finish, so daß sie nicht zuletzt deshalb unter Sammlern und Liebhaber die höchste Wertschätzung aller Rolleicord-Modelle genießt. Hinzu kommt, daß die Verkaufszahlen des Rolleicord-Modells Vb bis zum Schluß stark rückläufig waren und diese letzten Exemplare daher ganz besondere Raritäten sind. Die Rolleicord V gilt fast zu Unrecht als Sparmodell. Zwar ist ihre Ausstattung im Detail nicht so üppig wie die einer Rolleiflex T oder gar einer 2,X F, doch wurde bei der Verarbeitungsqualität sowie auch in Sachen mechanische und optische Präzision nicht gespart. Die Rolleicord ist somit eine echte zweiäugige, deren Bildqualität sich nicht von der einer Rolleiflex mit Tessar unterscheiden läßt. Auch das Zubehörprogramm kann weitgehend für Rolleicord und Rolleiflex genutzt werden. Ob Filter, Vorsatzlinsen, Pistolengriff oder Stativschnelladapter - alles paßt. Für die Rolleicord Vb eignen sich sogar die unterschiedlichen Sucher. Der Maskensatz 16 macht alle Modelle von der Va an auch für das Querformat 4x4,5 Zentimeter tauglich. Allen, die sich für eine Rolleicord V interessieren und Schwierigkeiten mit der Identifizierung ihres Modells anhand der geänderten Ausstattungsmerkmale haben, seien hier die Seriennummern ans Herz gelegt: Rolleicord V - 1500000 bis 1583999; Rolleicord Va 1584000 bis 1599999 sowie 1900001 bis 1943999; Rolleicord Vb - 2600000 bis 2677498.
Die Preise gebrauchter Rolleicord-Modelle halten sich wegen der nicht gerade überschwenglichen Nachfrage in Grenzen. Außerdem bestechen gerade die Rolleicord-Kameras, weil sie offenbar von wirklichen Amateuren in des Wortes wahrhaftiger Bedeutung selten benutzt wurden, durch einen besonders guten Zustand. Bei den professionellen 2,8-F- und 3,5-F-Modellen ist dies nicht der Fall. Insgesamt liefen 221498 Kameras des Typs Rolleicord V vom Band. Gut erhaltene Exemplare der Rolleicord V bringen es auf rund 500 Mark, für die Va gilt das gleiche, nur die Vb vermag sich nach oben abzusetzen. Rund 600 Mark sind hier die Regel; 700 Mark für bestgepflegte Exemplare der letzten Baujahre erscheinen durchaus realistisch.

{ewl Thnhlp32.dll,THIN,SKIN.LZH;STEIMERM.BMP}